Im Wechselbad der Gefühle
Auf dem weitläufigen Gelände der Julius-Leber-Kaserne waren gestern beinahe mehr Zivilisten zu beobachten als Uniformierte. Aus gutem Grund: Die Föderalismuskommission hatte sich an den militärischen Ort im Norden Berlins zu ihrer Klausurtagung zurückgezogen, um eine fast zweijährige Debatte über die Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern mit möglichst vorzeigbaren Ergebnissen zu beenden.
Berlin. Die Tagung wurde ein Wechselbad der Gefühle. Bis in den späten Abend hinein standen die Verhandlungen vor dem Scheitern. Dann traten die beiden Kommissionsvorsitzenden, SPD-Fraktionschef Peter Struck und Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) vor die Kameras und berichteten von "guten Fortschritten". Eine Einigung sollte es erst Stunden später geben. Dabei waren die Erwartungen in den letzten Tagen bereits auf ein Minimum gesunken, weil sich Bayern im Gegensatz zum Bund und den meisten Ländern partout weigerte, die Einführung einer verfassungsmäßigen Schuldenbremse mit neuen Finanzhilfen für die ärmeren Bundesländer zu flankieren. Dazu gehören neben dem Saarland auch Schleswig-Holstein, Berlin, Bremen sowie Sachsen-Anhalt. Ohne zusätzliche Zuwendungen sieht sich diese Gruppe nicht in der Lage, ihre Schulden zu begrenzen. Über diesen Punkt wurde gestern besonders heftig gestritten.
Zeitplan verzögerte sich
Zunächst trafen sich die unions- und SPD-regierten Länder in getrennten Runden. Dann kamen die Ministerpräsidenten zu einem so genannten Kamingespräch zusammen. Auf diese Weise verzögerte sich der Zeitplan erheblich. Nach zwei weiteren Beratungsstunden im Plenum der 32-köpfigen Kommission waren die Fronten dann so verhärtet, dass man sich erneut zu separaten Besprechungen verabredete. Die beiden Vorsitzenden Struck und Oettinger hatten ein Positionspapier mit konkreten Vorschlägen für eine Schuldenbegrenzung vorgelegt. Demnach sollte der öffentlichen Hand spätestens ab 2015 nur noch eine Verschuldung von jährlich 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erlaubt sein. Bei schlechter Konjunktur wären Ausnahmen möglich. Die ärmeren Länder sollten bis zum Jahr 2018 ausgeglichene Haushalte erzielen und dafür jährlich insgesamt eine Milliarde Euro zur Bewältigung ihrer Zinslasten erhalten. Bremen bekäme jeweils 375 Millionen Euro, das Saarland 325 Millionen und die übrigen drei Länder jeweils 100 Millionen Euro. Die Kosten müssten sich der Bund und die reicheren Länder teilen. Das rot-rot-regierte Berlin meldete starke Zweifel an, dass das Geld ausreiche, um aus der Schuldenfalle zu kommen. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer ging die Sache erneut grundsätzlich gegen den Strich. Nach Angaben von Sitzungsteilnehmern kam es deshalb zu einem lautstarken Schlagabtausch zwischen dem CSU-Mann sowie den SPD-Vertretern Struck und Finanzminister Peer Steinbrück. Gegenstand war auch die jüngste Koalitionsrunde, bei der SPD und Union die Schuldenbremse bereits in ihren Grundzügen verabredet hatten.