Im zweiten Anlauf zum Sozialismus

Die Linke will sich in ihrem neuen Grundsatzprogramm für einen radikalen Umbau des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems zu einem demokratischen Sozialismus einsetzen. Gestern wurde das Programm vorgestellt.

Berlin. Die Veranstaltung wirkt ein bisschen wie aus der Zeit gefallen. Zitate von Karl Marx und Friedrich Engels schwirren durch den Raum. Auch Bertolt Brechts gesellschaftspolitische Sicht kommt zur Sprache. Rosa Luxemburg sowieso. Wenn die scheidenden Führungsköpfe der Linken, Oskar Lafontaine und Lothar Bisky, den Programmentwurf ihrer Partei vorstellen, dann feiern auch die Klassiker der proletarischen Revolution eine kämpferische Wiederauferstehung.

Rund zweieinhalb Jahre lang hat eine 16-köpfige Programmkommission unter Lafontaines Federführung an dem Papier gewerkelt. Lafontaine gehörte 1989 noch zu den führenden Genossen der Sozialdemokratie und stand damals ihrer Programmkommission vor. Seine neue politische Heimat war Mitte 2007 aus der SED-Nachfolgerin PDS und der WASG entstanden.

Zunächst einmal soll das Programmpapier bis zum Herbst 2011 breit diskutiert werden. Insgesamt liest es sich wie der Anlauf zu einem zweiten Sozialismusversuch. Diesmal aber mit richtiger Demokratie und wirklichem gesellschaftlichen Eigentum, wie Lafontaine und Bisky einhellig versichern.

Zu den Vorstellungen über einen radikalen Umbau der Gesellschaft zählen die Verstaatlichung der privaten Banken sowie der Strom- und Schienennetze. Außenpolitisch setzt die Partei auf ein Ende aller Kampfeinsätze der Bundeswehr und eine Auflösung der Nato. Lafontaine gibt sich allerdings nicht der Hoffnung hin, dass die Theorie umgehend von den Massen Besitz ergreift. Gerade die bevorstehende Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zeige, dass die Grünen "nur einen Vorwand" suchten, "um nicht mit uns zusammenzuarbeiten". Und "die SPD weiß nicht, was sie will", klagt der Saarländer. Dabei gäbe es bei der Linken "niemanden, der gegen eine Regierungsbeteiligung ist". Strittig seien nur die "Bedingungen". Das Programm soll von einem Bundesparteitag im November 2011 verabschiedet werden. Dann sitzt Oskar Lafontaine längst auf seinem bundespolitischen Altenteil. Und Lothar Bisky ist Europa-Abgeordneter. Umstrittener Kurs

Der Sozialismus ist kläglich an seiner mangelnden Innovationsfähigkeit gescheitert. Politisch, gesellschaftlich, aber vor allem ökonomisch. Vor fast genau 20 Jahren wurde der Sozialismus in der DDR dann auch folgerichtig abgewählt. Und zwar wirklich demokratisch. Wenn die Linkspartei in ihrem Programmentwurf nun gewissermaßen für seine Neuauflage wirbt, dann dürfen diese Tatsachen nicht in Vergessenheit geraten. Auch bei den Linken selbst ist der Kurs, der eindeutig die Handschrift von Oskar Lafontaine trägt, hoch umstritten. Der Programmentwurf lässt jedenfalls an der Bündnisfähigkeit der Linkspartei zweifeln. Ihr geht es offenbar weniger um praktikable politische Veränderungen. Sie will vielmehr recht haben. nachrichten.red@volksfreund.de

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