Immer mehr Amok-Drohungen im Land

Erfurt 2002, Emsdetten 2006, Winnenden 2009, Ludwigshafen 2010: Bilder von Amokläufen an Schulen haben sich ins Gedächtnis fest eingebrannt. Wie ist die Polizei in Rheinland-Pfalz gewappnet, wenn jetzt wieder der Unterricht beginnt?

Mainz. Seit dem Amoklauf von Winnenden im März 2009, bei dem der 17-jährige Tim K. 15 Menschen getötet hat, ist die Zahl von Amok-Drohungen auch in Rheinland-Pfalz sprunghaft hochgeschnellt: in den folgenden Tagen auf 83, zwischen März 2009 und August 2010 sogar auf 188.

Der Einsatz nach der tödlichen Messerattacke auf einen Berufsschullehrer im Februar in Ludwigshafen zeigte der Polizei aber auch: Die Beamten haben im Spezialtraining gelernt, einen Amoklauf zu verhindern.

Florian K. (23) wollte sich damals aus übersteigertem Hass für schlechte Noten rächen, so die Anklage. Die Motive von Trittbrettfahrern aber lassen sich aus der Statistik für Innen-Staatssekretär Roger Lewentz (SPD) und Polizeiinspekteur Werner Blatt nicht eindeutig herauslesen. Sie reichen von echter Gefährdung über Versuche, Mathe-Arbeiten zu verhindern, bis zur Mutprobe. "Aber die Polizei muss jeden Fall ernst nehmen", sagt Lewentz. Zur Tat neigen zumeist Jungen (93 Prozent), zwischen 15 und 18. In der Pfalz sind mehr Fälle registriert als in Koblenz, Mainz und Trier. Drohszenarien treten an allen Schularten auf, am häufigsten an Hauptschulen (23 Prozent), Realschulen (18) und Gymnasien (16).

Aber jeder Nachahmer sollte gewarnt sein: Die Aufklärungsquote liegt bei 83 Prozent. Außerdem sind die Bußgelder jetzt drastisch erhöht worden: Bis zu 20 000 Euro werden fällig, wenn jemand grundlos die Polizei-Maschinerie in Gang setzt. Das gilt natürlich nicht für die, die in einem sozialen Netzwerk oder auf Wänden Hinweise auf eine mögliche Gefahr sehen und dies melden.

Die Polizei ist laut Lewentz hoch sensibilisiert. 6500 Beamte, alle mit schusssicheren Westen ausgestattet, sind speziell geschult, um ein Winnenden zu verhindern. "Zeit rettet Leben", sagt Blatt. Außerdem liegt in jedem Streifenwagen eine schusssichere Decke bereit. Dahinter kann die Polizei Opfer schützen oder sich verschanzen.

Besonders wichtig ist die Zusammenarbeit mit den Schulen. Der Polizei liegen Lagepläne aller Objekte vor. Sie kennt Ansprechpartner. Lehrer informieren sich im Ernstfall über Handyketten. Die Polizei hat alle Rektoren instruiert, so Blatt. Einige Schulträger haben auch baulich reagiert, vor allem mit neuen Türsystemen. Ein Restrisiko bleibt allerdings, wenn Gefahren im direkten Umfeld unerkannt bleiben. Prävention stößt an Grenzen: Die Polizei hatte Florian K. in Ludwigshafen lange im Visier. Aber nach sechs Jahren galt er nicht mehr als Gefahr, so Blatt.

Nach Winnenden gab es den Aufruf, auch illegal beschaffte Waffen straflos abzugeben. Allein in Rheinland-Pfalz wurden danach 5763 Waffen vernichtet.

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