Immer mehr Herden ohne Hirten

TRIER. Sie würden gerne, aber sie dürfen nicht: Die katholischen Laien wollen helfen, dem Priestermangel zu begegnen. Doch die Kirche stellt sich stur, mit der Konsequenz, dass immer mehr Gemeinden verwaisen.

"Wer anderen Menschen ein Licht aufgehen lassen will, wird Elektriker oder Priester." Mit originellen Werbesprüchen geht mancherorts die Kirche auf Nachwuchssuche. In Trier steht man dieser offensiven Methode eher skeptisch gegenüber. Dabei ist man sich seit längerem bewusst, dass die Lage brisant ist. Fast die Hälfte der zu besetzenden Priesterstellen imBistum sind frei. Als "ungewolltes Sparen" bezeichnet Bistumssprecher Stephan Kronenburg die Situation. "Hätten wir die Priester, würden wir die offenen Stellen auch besetzen." Doch immer weniger junge Männer entscheiden sich für den Priesterberuf. Bundesweit fehlen knapp 4000 Seelsorger. Da die Kirchenoberen den Nachwuchsmangel als Gott gegeben hinnehmen, ergreifen die überlasteten Priester selbst die Initiative. Nach den Sommerferien gehen Pfarrer aus der Region Rhein-Hunsrück-Nahe in die Schulen und werben für sich und ihren Job, "um deutlich zu machen, dass Priester-Sein ein abwechslungsreicher Lebensentwurf ist", wie der zuständige Regionaldekan Richard Baus bei der Vorstellung des Projektes erläuterte. Um den Jugendlichen Appetit zu machen, dürfen sie auch ein paar Tage im Pfarrhaus wohnen, um den "ganz normalen Alltag" mitzuerleben. Bislang lief die Nachwuchswerbung eher bieder: Infotage, Berufsberatung für Interessierte. Zuständig dafür beim Bistum ist die Diözesanstelle für Exerzitien, geistliche Begleitung und Berufungspastoral. So hölzern wie der Name der Bistumseinrichtung, so unbeholfen wirkt auch die Ansprache der Jugendlichen: Priester sei kein Anstellungsverhältnis, sondern eine Berufung, eine persönliche Beziehung zu Gott, sagt der Leiter der Diözesanstelle. Was aus Sicht der katholischen Kirche richtig ist, trifft aber wohl kaum die Wortwahl der Jugendlichen. Altbischof Herman-Josef Spital sah das Problem bei den Gläubigen: "Eigentlich fehlt es uns nicht an Priestern, sondern es fehlt uns an gläubigen Gemeinden", pflegte er, auf Priestermangel angesprochen, zu antworten. Dabei machen die, die immer noch zur Kirche stehen, sich die intensivsten Gedanken, wie man der Situation Herr werden kann: die gläubigen Laien. Schon vor sieben Jahren diskutierte das Bistum mit Gemeinde- und Pastoralreferenten über die sich verschärfende Lage. Bereits damals war klar, dass die engagierten Laien verstärkt eingesetzt werden müssen. Doch viel verändert hat sich seitdem nicht. Heute wie damals heißt es: Nur Pfarrer dürfen Pfarrgemeinden leiten. "Eine Gemeinde ohne Pfarrer ist wie eine Herde ohne Hirte", so unterstützt der Papst das rigorose Nein der Bischöfe. Ungeachtet der tatsächlichen Situation, dass immer mehr Gemeinden längst ohne Pfarrer sind. Dabei kommt der neueste Vorstoß, Laienpriester zuzulassen, aus den eigenen Reihen. Der südafrikanische Bischof Fritz Lobinger und der Wiener Theologe Paul Zulehner machten den Vorschlag. Die Aushilfspfarrer müssten sich schließlich nicht dem Zölibat unterwerfen. Immerhin soll das Thema beim Katholikentag in Ulm, zu dem 25 000 Teilnehmer erwartet werden, diskutiert werden. "Wir wollen die Augen öffnen für die Situation, die wir haben", sagt der Sprecher des Zentralkomitees der Katholiken. Doch mehr als ein Signal erwartet angesichts der Haltung der deutschen Bischöfe niemand.

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