Immer reicher hier, immer ärmer da

Die Kluft zwischen Arm und Reich ist seit 2002 noch größer geworden: Das hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seiner jüngsten Studie festgestellt. Auch bei den Bundestagsdebatten über den dritten Armutsbericht der Bundesregierung am Mittwochabend und gestern über die Ausdehnung des Mindeslohns auf sechs zusätzliche Branchen ging es um diese Entwicklung.

Berlin. Die reichsten zehn Prozent der Deutschen verfügen über 61,1 Prozent des gesamten Vermögens von 6,6 Billionen Euro, das oberste eine Prozent allein über 23 Prozent. Das sind 1,5 Billionen Euro, so viel wie die gesamte Staatsschuld. Demgegenüber haben 27 Prozent der Menschen überhaupt nichts oder sogar Schulden.

Laut DIW betrug das Durchschnittsvermögen der Deutschen 2007 rund 88 000 Euro, zehn Prozent mehr als fünf Jahre davor. Im Westen stieg das Durchschnittsvermögen von 90 724 Euro auf 101 208 Euro, im Osten sank es von 34 029 auf 30 723 Euro. Grund: Der Besitz besteht hier zumeist aus Immobilien, die in den neuen Ländern an Marktwert verloren haben. Das DIW äußerte deshalb die große "Besorgnis", dass im Osten Alters-Armut bevorstehe.

Von dem Vermögens-Zuwachs der vorigen Jahre profitierten vor allem die ohnehin schon Reichen. Die obersten zehn Prozent konnten ihren Anteil am Gesamtvermögen von 57,9 auf 61,1 Prozent erhöhen, während die unteren und mittleren Schichten abgeben mussten. Die untersten 70 Prozent der Bevölkerung verfügten 2007 nur über neun Prozent aller Werte, 1,5 Prozentpunkte weniger als 2002.

Das DIW glaubt nicht, dass die aktuelle Finanzkrise daran viel ändern wird. Die sehr Vermögenden könnten Verluste an den Aktienmärkten wieder ausgleichen. Die Wissenschaftler kritisierten, dass die neue Erbschaftssteuer mit ihren hohen Freibeträgen und die einheitliche Abgeltungssteuer für Zinserträge die Vermögensunterschiede in Deutschland noch verschärften.

Das griffen im Bundestag auch Redner der Opposition auf. Für die Grünen forderte deren Abgeordneter Markus Kurth eine wirkungsvolle statt der "zahnlosen" Erbschaftssteuerreform. Die Linke beklagte "staatliche Reichtumspflege", wie die Abgeordnete Katja Kipping es nannte. So würden durch Steuersenkungen die oberen Einkommen am meisten entlastet.

Streit über Berechnungs-Grundlage



Der Armutsbericht hatte festgestellt, dass 13 Prozent der Deutschen als arm einzustufen seien. Kriterium war ein Verdienst von weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens, 781 Euro netto im Monat. Nach anderen Kriterien, die auch die Bundesregierung früher selbst angewandt hatte, hätte der Anteil der Armen jedoch bei 18 Prozent gelegen. Kipping sprach deshalb von "Taschenspielertricks".

Redner der SPD hoben hervor, die gestern mit den Stimmen von Union und SPD beschlossenen Mindestlöhne für sechs weitere Branchen (siehe Text rechts oben) hülfen, mehr Menschen aus der Armut zu führen.

Die CDU betonte, dass sich die Lage in den vorigen Jahren wegen des Abbaus der Arbeitslosigkeit verbessert habe. Der Armutsbericht beruhe noch auf den Daten aus den Jahren 2004 und 2005 und habe diese Entwicklung nicht berücksichtigt.

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