Immer unter Dampf

BERLIN. Der FDP-Politiker und ehemalige Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (62) ist überraschend gestorben. Das teilte die Partei gestern mit.

"Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt", ist wohl der Satz, der Günter Rexrodt ein halbes Politikerleben verfolgt hat. Als er das sagte, war er noch Wirtschaftsminister in der Regierung von Helmut Kohl (CDU). Ein Amt, das er von 1993 bis 1998 ausübte. Für den flotten und einfachen Spruch wurde der FDP-Politiker fortan jedoch belächelt und gescholten. Dabei stand dieser Satz im Grunde nur für das besondere Politikverständnis des Günter Rexrodt, für den Glauben daran, dass ein großes Maß an Offenheit, an zupackender Liberalität am Ende ökonomischen und gesellschaftlichen Erfolg bringen würde. Weg mit den Regulierungen, könnte daher ein Lebensmotto des 1941 geborenen Berliners gewesen sein. Einige wirtschaftsliberale Vorstöße des vergangenen Jahrzehnts verknüpfen sich mit Rexrodts Namen. Und was damals noch erfolglos blieb, ist heute inzwischen mitunter Gesetz. Als er 1993 das Amt des Wirtschaftsministers von seinem ewigen innerparteilichen Widersacher Jürgen Möllemann übernommen hatte, nahm er zum Beispiel das Ladenschlussgesetz ins Visier, das er als einen "ordnungspolitischen Sündenfall" bezeichnete. 1994 folgten die Forderungen nach der Abschaffung des Rabattgesetzes, nach der Deregulierung des Strom- und Gasmarktes sowie nach der Einführung einer Energiesteuer. Hinter all diesen Punkten kann man heute "abgehakt" schreiben - Rexrodt, der Wegbereiter.Seine Karriere glich einer Achterbahnfahrt

1980 war der Vater eines Sohnes in die FDP eingetreten. Fünf Jahre später wurde Rexrodt im Berliner Senat zuständig für das Finanzressort. Nach der Abwahl von Schwarz-Gelb an der Spree arbeitete er ab 1989 bei der Frankfurter Citibank AG und stieg wenig später in die Unternehmensspitze auf. Nach der Wiedervereinigung war Rexrodt dann für rund ein Jahr Vorstandsmitglied der Treuhandanstalt, bevor er ins Wirtschaftsministerium wechselte. Seine politische Karriere glich allerdings einer Achterbahnfahrt: Von 1983 bis 1987 war er stellvertretender Partei-Chef des Berliner Landesverbandes, ebenso von 1989 bis 1994, um im selben Jahr die Berliner FDP zu übernehmen. 1995 musste er nach der dramatischen Wahlniederlage seiner Partei das Weite suchen. 2000 wurde er schließlich wieder FDP-Landes-Chef, und 2001 führte Rexrodt die Liberalen zurück ins Abgeordnetenhaus. Eine Karriere, die typisch für diesen Mann ist - stets unter Dampf, ohne Angst vor Rückschlägen, hart in der Sache, aber immer mit Zielen. Seit 2001 war er FDP-Schatzmeister. Die offensive Aufklärung der Möllemann'schen Spendenaffäre war eine von Rexrodts großen Leistungen. Ende Mai war der promovierte Betriebswirt im Hals-Nasen-Ohren-Bereich operiert worden. Ärzte sollen den Verdacht auf Mandelkrebs gehabt haben. Rexrodt konnte nicht sprechen, weshalb er auch nicht am Dresdner Parteitag im Juni teilnahm. Die FDP-Spitze rechnete mit der Rückkehr Rexrodts an seinen Arbeitsplatz im September. Gestern zeigten sich Vertreter aller Parteien tief betroffen über den Tod Günter Rexrodts.

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