In der Bundesliga

Die Linke sei die erste Parteigründung nach der Wende, in der nicht der Westen den Osten schluckt, hat der neue Mitvorsitzende, Lothar Bisky, voller Stolz gesagt. Doch das ist ein Irrtum. In Wahrheit ist dem Osten nicht einmal mehr die alte PDS geblieben.

Der Westen hat sie übernommen - und zwar in Gestalt von Oskar Lafontaine. Wer den Dämmerzustand des Vereinigungsparteitages während der tot langweiligen Ansprache von Lothar Bisky miterlebte und kurz drauf seine euphorische Wiedererweckung durch Oskar Lafontaine, dem musste klar werden, dass hier sehr ungleiche Mächte am Werk sind. Die Rolle des alten PDS-Chefs Bisky wird sich künftig auf die eines Grußredners beschränken. Die politischen Zügel hält offensichtlich der einstige SPD-Vorsitzende aus dem Saarland in der Hand. Zweifellos klingt Lafontaines fundamentalistischer Populismus auch vielen PDS-Reformern schrill in den Ohren. Doch so lange er der Garant für gesamtdeutsche Partei-Erfolge ist, werden sie still halten. Mit der Bewusstseinspaltung hat die alte PDS viel Erfahrung. Während die Revoluzzer das Hohelied vom Klassenkampf singen, schrecken die Mandatsträger wegen der realpolitischen Zwänge auch nicht vor Sozialkürzungen zurück. In diesem Spagat dürfte noch viel Potenzial für innerparteiliche Selbstbeschäftigung stecken.

Für die politische Konkurrenz bedeutet das freilich keine Entwarnung. Zwei Jahre lang quälten sich die kulturell völlig verschiedenen Gebilde aus Ost- und West-Linken bis zu ihrer Fusion. Doch selbst der dümmlichste Streit um Spiegelstriche und Regularien tat ihrer Popularität keinen Abbruch. Als vorübergehende Erscheinung lässt sich Lafontaines Coup jedenfalls nicht mehr abtun. Auf längere Sicht spielen die Linken in der politischen Bundesliga mit. Das muss vor allem die SPD schmerzen, der das alte Kerngeschäft abhanden kommt: die soziale Gerechtigkeit. Eine strategische Antwort darauf hat die SPD nicht gefunden. Und so lange sie im Schraubstock der großen Koalition steckt, wird das auch so bleiben.

Das mag die Union freuen. Doch machtpolitisch gehört sie ebenfalls zu den Fusionsverlierern. Schon seit 1998 reicht es nicht mehr für schwarz-gelbe Mehrheiten im Bund. Die Notwendigkeit von Drei-Parteien-Bündnissen als Alternative zur großen Koalition wird daher in Zukunft immer wahrscheinlicher. Am Ende kann sich die Linke nur selbst gefährlich werden. Ihr großes Wählerpotenzial liegt nach wie vor im Osten. Doch je westdeutscher sie wird, umso weniger hat sie den Charme eines Kummerkastens für die neuen Länder.

Mit den parlamentarischen Erfolgen wächst obendrein die politische Anpassung. Für Protestwähler wird die Linke dadurch unattraktiver. Erinnert sei nur an den rot-roten Senat in Berlin. Hier sackte die PDS bei der letzten Wahl deutlich ab. Berlin zeigt übrigens auch, dass eine Partei links von der SPD zur Normalität gehört. Der Kommunismus ist deshalb nicht im Roten Rathaus ausgebrochen.

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