In der Gerüchteküche brodelt es

Berlin. Nach dem Schweigegelübde der schwarz-roten Vierer-Runde schießen die Gerüchte wie Pilze aus dem Boden. "Wer wird was?", das ist die zentrale Frage, über die heftig spekuliert wird.

Es gibt mindestens fünf Zugänge zur ehrwürdigen Parlamentarischen Gesellschaft. Hinein durch die Vordertür, klar, oder aber über ein ausgeklügeltes Tunnel- und Treppensystem von den jeweils angrenzenden Bundestagsgebäuden und dem Reichstag aus.Gesprächsinhalte bleiben weiter geheim

Das birgt viele Möglichkeiten für ein Versteck- und Verwirrspiel erster Güte, wenn man nicht gesehen werden will, wenn man nichts sagen und schnell verschwinden möchte. Selbst die Fernsehsender hatten in der Nacht zu Freitag ihre liebe Mühe und Not, mit ihren zahlreichen Kamerateams all die verschlungenen Pfade zu dem historischen Komplex zu "bewachen". Kaum Bilder, keine Statements der Protagonisten, das war das magere, mediale Resultat des Gipfeltreffens der schwarz-roten Vierer-Runde. Niemand wollte das versprochene Schweigegelübde brechen. Geheimhaltung bedeutet in Berlin meist, spätestens nach einer Stunde pfeifen es die Spatzen von den Dächern. "An dem üblichen Geheimort" treffe man sich, hieß es aus den Parteizentralen von Union und SPD mit einem schelmischen Grinsen. Und der Kanzler höchstpersönlich soll bei einem Hintergrundgespräch mit Chefredakteuren ein "wie immer" geraunt haben. Also bestand frühzeitig kein Zweifel mehr daran, dass das "öffentliche" Geheimtreffen der großen Vier aus Kanzler Gerhard Schröder, SPD-Chef Franz Müntefering, Unionskandidatin Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber ab 19 Uhr einen Steinwurf vom Reichstag entfernt stattfinden würde.

Taghell war es am späten Abend auf dem Platz vor der Parlamentarischen Gesellschaft, weil das Gebäude von den Fernseh-Leuten in gleißendes Scheinwerferlicht gehüllt worden war. Davor standen Touristen, Journalisten, die Sender hatten ihre Mikrofone aufgebaut und sogar ihre Chefberichterstatter an den Ort der "dramatischen" Verhandlungen entsandt.

Nur, was sollte man dem geneigten Publikum eigentlich erzählen? Es passierte nichts, stundenlang, außer, dass es immer kälter wurde. Hinter den dicken Mauern und den zugezogenen Vorhängen tagten zwar die zwei Genossen und zwei Unionisten, nur nach außen drang absolut nichts. Die Gesprächsinhalte blieben wirklich geheim. Also wurde vor der Tür fleißig bibbernd spekuliert: Mal gab es ein Abendessen mit Rotwein, dann nur Häppchen und Bier. Mal soll die Atmosphäre gut gewesen sein, mal verhakt. Schließlich dauerte das Gespräch vier statt der anvisierten zwei Stunden. Und ein ZDF-Fernsehmann erklärte, die Pressesprecher seien nach Hause geschickt worden, was Gutes zu bedeuten habe. Nur: Die Pressesprecher der Vier waren mit einer Ausnahme gar nicht erst mitgekommen. So ein Pech aber auch.

K- und andere Personalfragen

Derzeit gilt in Berlin: Keine Spekulation ist zu abstrus. Wer aber wirklich etwas weiß, der sagt es nicht. Und wer etwas sagt, der weiß in Wahrheit nichts. Das sind die weitaus meisten. Deshalb schießen die Gerüchte ins Kraut, bis am Montag endlich der Schleier über die K- und andere Personalfragen gelüftet wird. So lange müssen die Öffentlichkeit und beispielsweise Edmund Stoiber noch damit leben, dass der Bayer von "sicheren Quellen" verschiedener Medien gleich für vier Ministerämter gehandelt wird: Finanzen, Außen, Verkehr/Infrastruktur und Wirtschaft. Das alles kann selbst Stoiber nicht bewältigen. Franz Müntefering, wollen andere in Erfahrung gebracht habe, werde Vizekanzler ohne Geschäftsbereich, um Partei- und Fraktionsvorsitzender der SPD bleiben zu können; Schröder wiederum, so weitere Informanten, wolle aber auch Vizekanzler und Außenminister werden, um Merkel zu ärgern.

Das mache die Union jetzt ziemlich nervös. Kann sein. Ein Gemütszustand, in dem sich auch Hans Eichel befinden soll. Denn mal bleibt er Finanzminister, sagen die einen, dann ist für ihn kein Platz mehr am Kabinettstisch, wissen die anderen. Und nun sollen die Genossen von der Union eine Art "Erstzugriffsrecht" auf Ministerien bekommen haben, um der SPD den Verlust des Amtes des Bundeskanzlers und des Bundestagspräsidenten schmackhaft zu machen. Wird berichtet. Auch hier gilt: Abwarten.

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