In der Glaubwürdigkeitsfalle

WASHINGTON. (die) US-Präsident George W. Bush gerät in Amerika immer mehr unter Druck. Auch nach wochenlangem Suchen sind im Irak keine Massen-Vernichtungswaffen gefunden worden.

Die "New York Times" fühlt sich durch den Krieg im Irak und die bisher vergebliche Suche nach Massen-Vernichtungswaffen bereits an den einstigen Hollywood-Kassenknüller "Wag the dog" erinnert - ein Streifen, in dem ein imaginärer US-Präsident eine Bedrohung durch einen anderen Staat schlichtweg erfinden läßt, um anschließend durch einen Militäreinsatz zum "Helden" zu werden und von Affären seiner Regierung abzulenken. "Das meiste, was uns an Begründung für den Krieg vorgelegt wurde, ist Fiktion gewesen", urteilt jetzt die Zeitung. Auch Abgeordnete wie die Demokratin Jane Harman wittern längst ein falsches Spiel des Weißen Hauses: Sie befürchtet nicht nur "den größten Geheimdienst-Skandal der amerikanischen Geschichte", sondern dass auch sie wie alle anderen Kongress-Mitglieder Opfer eines übertriebenen Bedrohungsszenarios geworden sind. Offensichtlich als Reaktion auf die zunehmende Skepsis gegenüber den offiziell genannten Kriegsgründen sollen nun in dieser Woche weitere 1400 Experten aus den USA, Großbritannien und Australien die Suche im Irak nach Massen-Vernichtungswaffen aufnehmen. Wenige Stunden vor der Verkündung dieser Maßnahme hatte US-General James Conway, der Leiter der Marine-Truppen, in überraschend offener Sprache angedeutet, dass auch er Zweifel an den Kriegsgründen hegt. Als Haupt-Verursacher der Debatte um die wahren Kriegsgründe gelten ausgerechnet zwei der angriffslustigsten "Falken" in der US-Regierung: Nachdem Verteidigungsminister Donald Rumsfeld vergangene Woche spekuliert hatte, die nun nicht auffindbaren Waffen seien möglicherweise schon vor Kriegsbeginn von den Irakern zerstört worden, erregte vor allem die Aussage seines Stellvertreters Paul Wolfowitz in einem Interview Argwohn, nach der sich das Weiße Haus für die erforderliche Vernichtung von Massen-Vernichtungswaffen als wichtigstem Kriegsmotiv "aus bürokratischen Gründen" entschieden hatte - weil dies ein Grund gewesen sei, der allen in der Regierung als besonders gut vermittelbar erschienen sei.

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