In der Versenkung verschwunden

BERLIN. Vor zwei Jahren wurden die Hartz-Reformen präsentiert - ihr Macher schweigt heute jedoch beharrlich. Der Kanzler dagegen kommt langsam aus dem Startblock.

Vor zwei Jahren war Peter Hartz alles andere als schweigsam. "Ein schöner Tag für die Arbeitslosen in Deutschland", meinte der enge Vertraute des Kanzlers fast euphorisch, als er vor der Presse die Eckpunkte seiner Arbeitsmarktreformen präsentierte. Eine Woche später dann, genau am 16. August 2002, strahlte der VW-Vorstand mit Gerhard Schröder um die Wette. Denn im schönen französischen Dom zu Berlin durfte er dem Kanzler den 343 Seiten starken Abschlussbericht seiner Reformkommission in die Hand drücken. Heute, 24 Monate später, ist Peter Hartz abgetaucht. Er gibt keine Interviews, keine Kommentare dazu, dass mittlerweile jeden Montag Zehntausende gegen seine Reformen auf die Straße gehen. Und dass der Name Hartz aus der Sicht vieler nur für massiven Sozialabbau steht. Dafür spricht jetzt aber der Kanzler. Am Mittwoch wird Gerhard Schröder in Berlin vor die Presse treten und Bilanz ziehen - anders als manch einer gehofft hatte, wird Peter Hartz jedoch nicht dabei sein. Der Auftritt des Niedersachsen ist der vorläufige Höhepunkt der provokativen PR-Offensive, die der Regierungs-Chef nach seiner Rückkehr aus dem Italienurlaub gestartet hat. Denn der Kanzler will jetzt raus aus der Defensive, kräftig ablenken vom Hartz-Frust, er will vor den anstehenden Wahlen noch einmal mobilisieren und vor allem zeigen, dass er nicht schwächelt oder in Deckung geht angesichts der anhaltenden Proteste. Schon am Wochenende kam Schröder dafür ordentlich aus dem Startblock: Neben einem ausgiebigen Fernsehinterview nutzte er sein Gastspiel beim Parteitag der brandenburgischen SPD dazu, "Hartz IV" besonders medienwirksam zu verteidigen: "Wenn man diese neue Volksfront mit ihrem gnadenlosen Populismus sieht, kann einem wirklich übel werden", giftete er bewusst gegen die Kritiker von Union und PDS. "Flegeleien", "völlig unpassend", "Sprache des Kalten Krieges" erntete Schröder prompt als Reaktionen seitens der Opposition. Angriff ist die beste Verteidigung, lautet nun aber die neue Kanzler-Devise angesichts der hart geführten Hartz-Debatte. Deswegen wird Gerhard Schröder also am Mittwoch Stellung beziehen zu den einschneidenden Reformen seines Freundes von VW. Für die Opposition sind sie bereits ein Flop: "Das Reformpaket ist - gemessen an den eigenen Erwartungen - auf ganzer Linie gescheitet", meinte gestern der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Karl-Josef Laumann (CDU). Denn das 2002 genannte Ziel der Halbierung der Arbeitslosigkeit in drei Jahren könne nicht annähernd erreicht werden. So bleibe allein bei den Ich-AGs der Erfolg weit hinter den Erwartungen zurück. Insgesamt seien 180 000 gegründet worden. "30 000 davon sind schon wieder pleite." Eine Bilanz, die Schröder nicht teilen wird. Zu resümieren ist am Mittwoch nur die eine Sache. Äußern müssen wird sich der Regierungs-Chef auch zu den Begleiterscheinungen der Hartz-Reformen: So zum Beispiel zu den anhaltenden Massenprotesten - laut den Globalisierungsgegnern von "Attac" wurde gestern in über 100 Städten demonstriert.Unbequeme Fragen an den Kanzler

Oder aber dazu, dass trotz seines Machtwortes, nichts werde mehr an Hartz IV geändert, die Forderungen nach Nachbesserungen aus den eigenen Reihen nicht verstummen wollen. Dessen noch nicht genug an Kakophonie: Thema dürfte überdies die vom niedersächsischen SPD-Chef Sigmar Gabriel angestoßene Diskussion sein, angesichts der Belastungen für Arbeitslose auf die Senkung des Spitzensteuersatzes von 45 auf 42 Prozent zum Jahresanfang 2005 zu verzichten. Obwohl Schröder dies bereits abgelehnt hat, geht die Debatte bei den Genossen munter weiter. Unbequeme Fragen dürfte es darüber hinaus zur Informationspolitik der Bundesregierung geben. Sie steht seit Beginn der Massenproteste im Sperrfeuer der Kritik. Als Hauptverantwortlicher für den "Kommunikationsgau" ist Regierungssprecher Bela Anda ausgemacht worden. Spannend wird daher ebenso sein, wie Gerhard Schröders Offensive diesbezüglich aussehen wird.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort