In kurzen Hosen ins Kanzleramt

Das darf sonst keiner: in Shorts in die Zentrale der Macht latschen. Am Tag der offenen Tür ist dies möglich, Bundesminister verteilen sogar noch Autogramme. Doch nicht jeder Politiker ist gleichermaßen beliebt.

Berlin. (wk) Karl Schlich, der Presseorganisator des Kanzleramtes, läuft fünf Meter voraus und verteilt Autogrammkarten mit dem Bild Angela Merkels. Dann folgt, dicht bedrängt von Neugierigen, die Kanzlerin und unterschreibt.

Der Tag der offenen Tür der Bundesregierung: Ein paar organisierte Interessensvertreter haben sich unter die Autogrammjäger gemischt. Iranische Oppositionelle überreichen zuerst artig eine Rose und dann einen Brief mit dem Hinweis auf Folter und Mord in den Gefängnissen der Mullahs. Merkel dankt und geht weiter. Ein Spediteur, der sich mit "Ich heiße auch Merkel" vorstellt, klagt über die wirtschaftlichen Bedingungen des Gewerbes. "Schreiben Sie mir das auf und schicken Sie es in mein Büro!"

Das ist die Standardantwort aller Minister an diesem Tag, ein Satz der aufmerksam klingt. Aber die meisten Leute wollen sowieso nur ein Foto der Kanzlerin. Promis gucken und ein kleiner Schlüssellochblick ins Innere der Macht, darum geht es bei dieser "Einladung zum Staatsbesuch", wie der Tag offiziell heißt. Man sieht viele kurze Hosen und ärmellose Kleider. Es ist heiß. Angela Merkel spielt mit, wälzt sich mit ihrem Lindwurm aus Sicherheitsleuten und Mitarbeitern, darunter der neue Regierungssprecher Steffen Seibert, fast eineinhalb Stunden durch die Menge.

Am Mikrofon erzählt sie wie eine Touristenführerin vom Alltag. "Da auf dem Hügel, da fliegen wir immer ab mit dem Hubschrauber." "Von meinem Büro gucke ich rüber zum Reichstag." "Da, wo Sie jetzt stehen, ist sonst der rote Teppich." Keine kritische Frage. Bei Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist der Saal mit 500 Leuten voll, Sabine Leutheusser-Schnarrenberg blickt dagegen auf etliche leere Stühle. Innenminister Thomas de Maizière muss erzählen, wie es sich anfühlt, immer mit Bodyguards im Nacken. Es menschelt mächtig, und die schwarzgelbe Koalition erlebt trotz mieser Umfragewerte einen schönen Start in den Herbst. Der allerdings wird weniger harmonisch.

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