In Moskau verletzte Deutsche: „Wie im Krieg“
Moskau · Über 100 Verletzte des Anschlags in Moskau liegen noch in Kliniken. Eine davon ist die Koblenzerin Diana Stotz, die erzählt, wie sie die schlimmen Minuten erlebt hat. Unterdessen ehrt Moskau die Opfer mit einem Gedenktag. Die Hilfsbereitschaft ist groß.
Die furchtbaren Bilder am Moskauer Flughafen Domodedowo gehen Diana Stotz nicht aus dem Kopf. Ich habe den Krieg ganz nahe gespürt, erzählt die 36-Jährige am Telefon. Die Koblenzerin steht wenige Meter entfernt, als sich am Montag in der Ankunftshalle ein Selbstmordattentäter in die Luft sprengt. Mit Wunden am Unterschenkel kommt die in Kasachstan geborene Deutsche in eine Moskauer Klinik. Dagegen überlebt ein 34-jähriger Kölner den Anschlag nicht. Er war für eine Heizungsfirma in Moskau. Insgesamt riss der Attentäter 35 Menschen mit in den Tod.Ich musste über Leichen steigen, sagt Diana Stotz immer noch erschüttert. Solange sie Fieber hat, darf sie das Krankenhaus Nr. 31 im Südwesten der russischen Hauptstadt nicht verlassen. Als mir eine Frau den Splitter aus dem rechten Unterschenkel zog, habe ich vor Schock den Schmerz nicht gespürt. Zuerst denkt sie noch, es habe nur einen Stromausfall gegeben. Dann sieht sie Szenen wie in einem Horrorfilm. Schau nicht nach links!, habe ihr eine andere verletzte Frau gesagt - dort lagen von der Splitterbombe zerrissene Körper.Die Leute haben versucht, sich zu verstecken, erzählt Diana Stotz, die in Moskaus größtem Flughafen eine Bekannte aus Frankfurt am Main abholen wollte. Alles war voll dunklem Rauch. Wir mussten uns Tücher vor Mund und Nase halten. Inneren Trost findet sie in diesen Tagen bei Gott und auch bei ihrer Familie in Koblenz: Ich bin ein gläubiger Mensch. Ich kann nicht hassen.Die Versorgung in der Klinik sei gut. Dennoch will die Frau mit den schulterlangen dunklen Haaren schon bald das eher spartanisch eingerichtete Krankenzimmer verlassen und zu ihrem russischen Mann, mit dem sie seit vier Jahren in der Hauptstadt lebt.Am Tatort sind noch immer die schrecklichen Folgen des Attentats zu sehen. Löcher im Boden und in den Wänden zeugen von der ungeheuren Zerstörungswucht der mit Metallteilen gespickten Bombe. Mithilfe von Nägeln und scharfkantigen Teilen wollte der Selbstmordattentäter so viele Menschen wie möglich mit in den Tod reißen oder für immer entstellen.Moskau ehrt die Opfer am Mittwoch mit einem offiziellen Trauertag. Fernsehen und Radio verzichten auf Unterhaltungsshows und senden Trauermusik. In den Kirchen gibt es Gedenkgottesdienste, Feste werden abgesagt, die Fahnen an öffentlichen Gebäuden wehen auf Halbmast. Immer wieder bringen Passagiere und Passanten Nelken zum Tatort.Die Welle der Hilfsbereitschaft ist groß: Mitarbeiter der Stadtverwaltung spenden Blut für die Verletzten, ein Hilfskonto ist eingerichtet. Die Gesellschaft Aeroflot bietet den Angehörigen kostenlose Flüge zur Trauerfeier an, Bürgermeister Sergej Sobjanin stellt ihnen Gratis-Hotelzimmer zur Verfügung. Bereits wenige Stunden nach dem Attentat waren Moskauer mit ihren Privatwagen zum Flughafen geeilt und hatten schockierte Passagiere kostenlos Richtung Zentrum chauffiert als Reaktion auf die Abzockerpreise vieler Taxifahrer.In einer solch gefährlichen Stadt wie Moskau sei der Tod ständiger Begleiter, schreibt die Zeitung Nowyje Iswestija am Mittwoch. So etwas kann überall passieren, sagt Diana Stotz. Und mit Trotz in der Stimme fügt sie hinzu: Wir bleiben in Russland.