In Spanien wartet der dreijährige Sohn

Trier · Seit gestern steht in Trier eine 35-Jährige vor Gericht, die vor über vier Jahren ihr Neugeborenes getötet haben soll. Die Brasilianerin hat inzwischen wieder ein Kind bekommen. "Sie hängt an ihrem dreijährigen Sohn", sagt der Staatsanwalt.

Trier. Glaubt man den Ermittlern, waren die Zustände in dem am Ortsrand von Hetzerath (Kreis Bernkastel-Wittlich) gelegenen Haus katastrophal. Es gab offenbar kein fließendes Wasser und keinen Strom. "Eine Bruchbude", sagt Staatsanwalt Eric Samel. In dieser Bruchbude soll die Angeklagte vor viereinhalb Jahren - wohl ohne fremde Hilfe - ein kleines Mädchen zur Welt gebracht und das Neugeborene kurz darauf mit einem Laken erstickt haben.
Danach soll die Babyleiche im Garten verscharrt und Wochen später wieder ausgegraben worden sein. An einem unbekannten Ort in Spanien, so steht es in der Anklageschrift, wurde der Leichnam dann erneut vergraben.
Das Verbrechen wäre wohl nie ans Licht gekommen, hätte sich der ehemalige Lebensgefährte der Angeklagten nicht vor drei Jahren an die Polizei gewandt. Warum der heute 76-jährige Deutsche dies tat, ist noch unklar. Eine mögliche Erklärung: die zerbrochene Liebesbeziehung.
Die Angeklagte soll damals in Spanien einen neuen Freund kennengelernt haben, mit dem sie inzwischen auch verheiratet ist. Das in der Kleinstadt Albuquerque an der spanisch-portugiesischen Grenze lebende Paar hat einen gemeinsamen Sohn, der drei Jahre alt ist.
Zwei Jahre älter wäre heute seine Stiefschwester, wenn sie von der Mutter nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht kurz nach der Geburt getötet worden wäre. Über das mögliche Motiv rätseln die Ermittler noch.
Täter und Opfer zugleich?


Laut Staatsanwalt Eric Samel hat sich die Angeklagte in ihren Vernehmungen bei der Polizei unterschiedlich geäußert. Eine Version lautet: "Ich war überfordert."
Womöglich spielten auch die katastrophalen Bedingungen in dem Hetzerather Haus eine Rolle. "Die Frau war Täter und Opfer zugleich", glaubt jedenfalls der Staatsanwalt.
Die Brasilianerin war erst im Februar von Spanien nach Deutschland ausgeliefert worden und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Auch gegen ihren ehemaligen Lebensgefährten, einen angeblich verheirateten Mann, ermittelt die Staatsanwaltschaft; der 76-Jährige ist aber auf freiem Fuß.
Ob der Mann auch der Vater des getöteten Babys ist, ist genauso unklar wie das Motiv der Angeklagten. Immerhin gibt es ein Foto der Babyleiche, so dass sich die Fahnder sicher sind, nicht in einem Fall zu ermitteln, den es in Wirklichkeit nie gegeben hat.
Der Prozess wird am übernächsten Dienstag fortgesetzt. Dann sollen die Angeklagte und der federführende Ermittler gehört werden.
Mit einem Urteil des Landgerichts wird frühestens Ende des Monats gerechnet.

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