Infam

Ob die alte Bundesregierung Recht und Gesetz formal verletzt hat, ob sie tatsächlich ein Angebot der USA abgelehnt oder "lediglich" auf eine Nachfrage verzichtet hat: Das wird - wenn überhaupt - wohl erst der Untersuchungsausschuss klären können.

Woran aber schon jetzt kein Zweifel mehr besteht: Die Schröder-Regierung hat für den in Bremen mit seiner Familie lebenden Menschen Murat Kurnaz aktiv keinen Finger krumm gemacht, obwohl sie um die menschenrechtswidrigen Verhältnisse in Guantánamo wusste. Sie hat es vorgezogen, keinen Ärger zu riskieren, lieber einen möglicherweise Unschuldigen in der Hölle sitzen zu lassen als einen möglichen Terroristen zurück ins eigene Land zu holen. Das ist "infam", nicht die daraus resultierenden Vorwürfe. Wer was wusste und wer folglich Konsequenzen zu tragen hat, muss sorgfältig geklärt werden, bevor man Einzelnen Schuld zuweist. Aber was so oder so bleibt, ist die Enttäuschung darüber, wie leicht politisches oder geheimdienstliches Kalkül Menschen opfert, wenn es opportun erscheint. Und wie schnell in Zeiten von Terror-Hysterie Menschenrechte hintangestellt werden. So richtig übel stößt einem der Fall Kurnaz aber im Nachhinein auf, wenn man sich daran erinnert, dass die gleiche Regierung mit ihrer besonnenen Haltung in Sachen Irak-Krieg und "Streit der Kulturen" gezielt auf Stimmenfang ging. Zur selben Zeit, als man Kurnaz in Guantanamo sitzen ließ und seine Familie vertröstete. Dass es Angela Merkel war, die in Sachen Guantánamo Klartext redete und sich um Kurnaz' Freilassung kümmerte, müsste manch engagiertem Rot-Grünen die Schamesröte ins Gesicht treiben. d.lintz@volksfreund.de

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