Intelligente Lösungen gesucht

Wenn die Parteien ehrlich wären, dann würden sie nach dem Job-Gipfel vor die Presse treten und sagen: Tut uns leid, wir können noch keine Ergebnisse liefern.

Wenn die Parteien ehrlich wären, dann würden sie nach dem Job-Gipfel vor die Presse treten und sagen: Tut uns leid, wir können noch keine Ergebnisse liefern. Wir stellen für die nächsten Wochen alle Regierungs- und Oppositionsgeschäfte ein, wir geben keine Interviews, wir gehen in Klausur. Wir verkämpfen uns nicht in Einzelfragen, denn das Thema ist zu komplex, um an einer einzelnen Stelle rumzuwurschteln. Wir vergessen alles, was wir seit Jahren herunterleiern, denn es gibt keine Patentrezepte. Wir legen alle Besitzstände auf den Tisch, denn sonst bewegt sich nichts. Und wir lassen uns erst wieder blicken, wenn wir eine tragfähige Idee haben, wie wir den Karren gemeinsam aus dem Dreck ziehen. Das wäre dann ein hoffnungsvoller Gipfel. Aber er würde die Ideologen in den Parteien zum Verzicht auf jahrzehntelang gepflegte Glaubenssätze zwingen. Zum Beispiel auf den der Marktfetischisten, dass man der Wirtschaft nur eine gute Konjunktur und hohe Gewinne bescheren müsse und dann die Arbeitsplätze von selbst kommen. Von der Entwicklung in Großkonzernen widerlegt. Oder auf den der Sozialnostalgiker, dass man nur genügend staatliches Geld in Programme pumpen muss, um irgendwann "echte" Jobs herauszubekommen. An der Realität im Osten zerschellt. Intelligente, zukunftsweisende Konzepte müssen scheinbare Gegensätze vereinigen. Gebraucht wird mehr Freiraum, zum Beispiel beim verkarsteten Arbeitsrecht. Aber gleichzeitig ein handlungsfähiger Staat, der hilft, den schwierigen Übergang zu neuen, hierzulande ungewohnten Formen von Arbeit zu gestalten und abzufedern. Gebraucht wird eine dramatische Entbürokratisierung staatlicher Verwaltungs- und Kontroll-Ebenen inklusive Steuerrecht. Aber gleichzeitig einfache, funktionsfähige Stellschrauben, die dafür sorgen, dass gesellschaftliche Interessen gewahrt bleiben. Zum Beispiel, indem man Gewinne, die ein Betrieb reinvestiert, spürbar günstiger stellt als solche, die als Dividende verfüttert werden. Die Devise kann weder "Mehr Staat" lauten noch "Staat raus". Sondern: Mehr Staat , wo nötig, Staat raus, wo möglich. Letzteres würde übrigens Milliarden freisetzen, um ersteres zu ermöglichen. Gelingt es dann noch, die unselige, seit der deutschen Einheit exzessive Verkoppelung von Sozialkassen und allgemeingesellschaftlichen Aufgaben aufzubrechen, dann wäre auch das Problem der Lohnnebenkosten zu lösen. d.lintz@volksfreund.de

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