Intensives Werben um den Klassenfeind

WASHINGTON. Nach dem vorzeitigen Ende der Verhandlungsrunde über das nordkoreanische Atomprogramm setzen die USA nun auf die Vereinten Nationen, um massiven Druck auf das Regime in Pjöngjang auszuüben. Washington will im Sicherheitsrat auf eine Verurteilung Nordkoreas drängen.

Im Weißen Haus setzt man in der Nordkorea-Krise auf die Vereinten Nationen. US-Präsident George W. Bush sieht gute Chancen, dass zumindest China seine bisherige Ablehnung aufgibt, die Krise formell im Sicherheitsrat debattieren zu lassen. Bush führte am Samstag ein längeres Telefongespräch mit dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao, um diesen zum Umdenken zu bewegen und ihm klar zu machen, dass man hier ein "regionales Problem" habe, das alle Anrainerstaaten Nordkoreas angehe. Man werde nun mit Peking in ständigem Kontakt bleiben, sagte ein Bush-Sprecher am Wochenende.Vergebliche Liebesmüh

Nach Einschätzung von US-Rüstungsexperten verfügt Pjöngjang derzeit über mindestens eine Atombombe, die vermutlich aber noch nicht getestet worden sei. Mit dem Drängen auf Sanktionen gegenüber Nordkorea scheinen sich in den USA jene Teile des Bush-Kabinetts durchzusetzen, die - im Gegensatz zu Außenminister Colin Powell - weiteren Gesprächen keine großen Erfolgschancen zubilligen. Die Sanktionen könnten nach Ansicht von Vertretern einer kompromisslosen Strategie bis hin zu einer vollständigen See- und Landblockade des Landes reichen. "Der ganze Ansatz ist vergebliche Liebesmüh", hieß es am Wochenende im Umfeld von US-Vizepräsident Dick Cheney. Auffällig waren in den letzten Tagen die lobende Worte, die die amerikanische Regierung trotz des Scheiterns der Gesprächsrunde in Peking für China fand. "China hat eine sehr produktive Rolle gespielt," formulierte Bush-Sprecher Ari Fleischer am Wochenende, und in Washington redet man bereits von einer "deutlichen Klimaverbesserung" im Verhältnis mit Peking. Die Absicht der US-Regierung geht derzeit eindeutig dahin, einen größeren Keil zwischen Nordkorea und China zu treiben, nachdem die Chinesen bereits deutliche Verärgerung über einen Raketentest Nordkoreas über Japan gezeigt hatten.Verbale Muskelspiele

Gleichzeitig hegt man die Hoffnung, dass auch Russland seine reservierte Haltung gegenüber einer Behandlung der Nordkorea-Krise im UN-Sicherheitsrat aufgeben wird, wenn China erst einmal auf US-Linie gebracht worden ist. In Washington vertritt man weiter die Auffassung, Nordkorea müsse vollständig und nachvollziehbar sein Atomprogramm beenden, das nach Ansicht der US-Regierung ein 1994 geschlossenes bilaterales Abkommen, aber auch Verträge zwischen Nord- und Südkorea verletzt. Erst dann sei man bereit, über eine Verbesserung der Beziehungen zu reden - sprich Wirtschaftshilfen zu diskutieren. Während Nordkorea bisher stets Sanktionen als "Kriegserklärung" bezeichnet hatte, geht man im Weißen Haus davon aus, dass dies lediglich verbale Muskelspiele eines verunsicherten Regimes sind, und bereitet deshalb eine entsprechende UN-Initiative vor. Vor allem eine Seeblockade würde Nordkorea hart treffen, weil damit der Export von Waffen und der Import von Raketen- und Computerteilen für das Atomprogramm erheblich beeinträchtigt würden.

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