IWF-Chefin Lagarde vor Gericht: „Ich habe nicht die Absicht zu schweigen“

Paris · Vor dem Gerichtshof der Republik hat der Prozess gegen Christine Lagarde begonnen. Der IWF-Chefin droht in Frankreich ein Jahr Haft wegen „Fahrlässigkeit“.

Christine Lagarde wirkte bei ihrem Auftritt im Gerichtssaal wie immer: dunkles Kostüm, buntes Halstuch und ein freundliches Lächeln für die Kameras. Doch der 12. Dezember war für die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) ein schwieriger Tag, denn die 60-Jährige musste sich wegen Fahrlässigkeit in ihrer Zeit als Finanzministerin vor dem Gerichtshof der Republik verantworten. "Ich bin zuversichtlich und entschlossen", sagte die international anerkannte Finanzmanagerin in einer Reportage des Fernsehsenders France 2, die am Abend vor Prozessbeginn ausgestrahlt wurde. "Die Fahrlässigkeit ist ein nicht absichtlich begangenes Vergehen. Ich habe versucht, so gut wie möglich meine Arbeit zu tun im Rahmen dessen was ich wusste."

Von 2007 bis 2011 war die grauhaarige Französin Finanzministerin unter Präsident Nicolas Sarkozy. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit gab sie grünes Licht für ein Schiedsgerichtsverfahren, um den Dauerstreit zwischen dem Geschäftsmann Bernard Tapie und der staatlichen Großbank Crédit Lyonnais um den Verkauf des Sportartikelherstellers Adidas zu beenden. Tapie fühlte sich damals geprellt, weil Crédit Lyonnais Adidas für 315 Millionen Euro gekauft hatte, um das Unternehmen dann fast doppelt so teuer wieder zu veräußern. Die Entscheidung für das private Schiedgericht anstelle eines normalen Gerichts erfolgte laut den Ermittlern "übereilt, ohne genauere Prüfung des Dossiers, ohne Rücksprache mit der juristischen Leitung des Ministeriums."

Das Schiedsgericht sprach Tapie die Riesensumme von 400 Millionen Euro an Entschädigung aus öffentlichen Geldern zu. Auf eine Berufung verzichtete Lagarde damals. Auf die Frage, ob sie den Geschäftsmann begünstigt habe, antwortete sie im Vorfeld des Prozesses: "Überhaupt nicht". Auch eine mögliche Einflussnahme Sarkozys zugunsten seines Freundes Tapie verneinte die frühere Anwältin.

"Ich habe nicht die Absicht zu schweigen"

Dieselben Antworten dürfte Lagarde auch in dem Prozess geben, der bis 20. Dezember dauert. "Ich habe nicht die Absicht zu schweigen", sagte die Finanzmanagerin gleich zum Auftakt im Pariser Justizpalast vor den 15 Mitgliedern des Gerichtshofs der Republik. Das Spezialgericht tagt nur für ehemalige Regierungsmitglieder, die sich wegen Vergehen im Amt verantworten müssen. Deshalb gehören ihm neben drei Richtern des Kassationsgerichts auch sechs Abgeordnete und sechs Senatoren an.

Lagardes Anwalt Patrick Maisonneuve beantragte gleich zu Beginn eine Verschiebung des Prozesses. Zunächst müsse das Ermittlungsverfahren gegen Tapie und fünf andere beendet werden, denen "bandenmäßiger Betrug" vorgeworfen wird. Einer der Anwälte des Ex-Präsidenten des Fußballvereins Olympique Marseille soll nämlich Kontakt zu einem der Mitglieder des Schiedsgerichts gehabt und die Entscheidung so beeinflusst haben. Ein Zivilgericht hob deshalb den Schiedsspruch vergangenes Jahr auf; Tapie muss die Entschädigungssumme zurückzahlen.

Der IWF-Chefin, die für den Prozess Urlaub nahm, drohen im Fall einer Verurteilung ein Jahr Haft und eine Geldstrafe von 15.000 Euro. Der IWF, für den sie im Juli eine zweite Amtszeit begann, hatte ihr stets das Vertrauen ausgesprochen. Die Finanzinstitution litt bereits 2011 unter einer anderen Affäre: Lagardes Landsmann Dominique Strauss-Kahn musste nach Vergewaltigungsvorwürfen einer Hotelangestellten zurücktreten.

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