Ja zu Kundus

BERLIN. Die Bundeswehr steht offenbar vor einer weiteren "gefährlichen Mission": Die rot-grüne Regierung plant den Einsatz deutscher Soldaten im nordafghanischen Kundus. Heute will Kanzler Gerhard Schröder die Opposition von seinen Pläne unterrichten.

Die Bundesregierung hegt offenbar die Absicht, weitere 100 deutsche Soldaten auf eine "gefährliche Mission" nach Afghanistan zu schicken. Nach entsprechenden Äußerungen von Verteidigungsminister Peter Struck am Dienstag in Warnemünde gilt der Einsatz der Bundeswehr auch in der nordafghanischen Stadt Kundus als nahezu sicher. Allerdings ist dafür ein neuer Beschluss des Bundestages sowie eine Erweiterung des Isaf-Mandats der Vereinten Nationen erforderlich. Sollte das Mandat nicht zustande kommen, schließt Struck aber auch einen Einsatz im Rahmen des Anti-Terror-Kampfes "enduring freedom" nicht aus.Am heutigen Mittwoch will Bundeskanzler Gerhard Schröder die Partei- und Fraktionsvorsitzenden über die Pläne unterrichten. Die entsprechende Einladung ist für 11 Uhr terminiert. Zu diesem Zeitpunkt dürfte die Vorentscheidung über den Bundeswehreinsatz schon gefallen sein, und zwar im so genannten Sicherheitskabinett. Zu diesem Beratungsgremium mit dem Außen- und Verteidigungsminister kann der Kanzler auch weitere Ressortchefs hinzu bitten. Die tatsächliche Entscheidung über den Einsatz soll allerdings erst am Dienstag in der regulären Kabinettsitzung fallen.Hintergrund der geplanten Maßnahme ist einmal die Bitte der afghanischen Regierung, den Isaf-Einsatz über die Hauptstadt Kabul hinaus auszuweiten; zum zweiten das Bestreben der Bundesregierung, die durch den Irak-Einsatz enorm beanspruchte USA in Afghanistan zu entlasten. Bislang versuchen amerikanische Truppen, in Kundus für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Hauptaufgabe der Soldaten ist der Schutz ziviler Wiederaufbau-Teams.Die Zustimmung der Fraktionen im Bundestag zu den Plänen ist noch nicht sicher. Die Opposition hat sich bereits kritisch zu Wort gemeldet, will aber erst die Unterrichtung durch den Kanzler abwarten, bevor sie klar Stellung bezieht. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt sagte, ohne ein neues politisches Konzept der Bundesregierung, das mit den Verbündeten abgestimmt sein müsse, werde die FDP nicht zustimmen. Der CSU-Verteidigungsexperte Hans Raidel verlangte von Struck einen "ungeschönten Bericht" über die Lage in Kundus. Er warf dem Minister vor, sich bereits vor Kenntnis des Berichts des deutschen Erkundungsteams festgelegt zu haben.Dieses Team unter Leitung des Generals Friedrich Riechmann war am Sonntag von einer Inspektionsreise aus Kundus zurückgekehrt. Noch vor der Unterrichtung durch den General hatte Struck in Warnemünde ein positives Votum angedeutet. Schon die Informationen der Amerikaner böten keinen Anlass, "zu Kundus Nein zu sagen". Auch in den eigenen Reihen muss Struck Bedenken zerstreuen. Etliche Abgeordnete ließen erkennen, dass sie einem Kundus-Einsatz allenfalls im Rahmen eines erweiterten UN-Mandats, nicht aber im Namen von "enduring freedom" zustimmen würden.Deutscher Irak-Einsatz "kein Thema"

Dagegen ist die Frage eines Einsatzes der Bundeswehr auch im Irak nach Angaben aus Regierungskreisen derzeit "kein Thema". Tatsächlich ist nicht einmal klar, ob die USA überhaupt eine UN-Resolution für den Einsatz einer multinationalen Truppe anstreben. Eine Mehrheit dafür wäre ohnehin nur zu erwarten, wenn Washington Entscheidungsbefugnisse im Irak abtreten würde. Danach sieht es gegenwärtig aber nicht aus. Diplomaten rechnen allerdings mit Forderungen der Amerikaner nach finanzieller Unterstützung.

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