Jamaika vor der größten Hürde

Berlin · Heute geht es um Flüchtlinge und Umwelt - Streit um Obergrenze und Kohle programmiert.

Berlin Nach der Einigung über Grundsätze der künftigen Finanzpolitik stehen die Unterhändler der geplanten Jamaika-Koalition an diesem Donnerstag vor ihrer wahrscheinlich größten Hürde. Flüchtlinge, Umwelt und Bildung sind die Themen, und da liegen Union, FDP und Grüne teilweise meilenweit auseinander.

Beim Thema Flüchtlinge schwebt die alte Drohung der CSU über dem Treffen, ohne eine "Obergrenze" keinen Koalitionsvertrag zu unterschreiben. Vor zwei Wochen hatten sich Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) geeinigt, dass künftig nicht mehr als 200 000 Menschen pro Jahr nach Deutschland kommen sollen. Für die Union ist das nur schwer verhandelbar. Im letzten Jahr wurde diese Zahl erreicht, in diesem Jahr wird sie deutlich unterschritten. Die anderen Parteien lehnen eine feste Obergrenze jedoch als grundgesetzwidrig ab. Freilich hat die Union die Höchstgrenze neuerdings nicht mehr so hart formuliert - sie will sie nicht durch geschlossene Grenzen erreichen, sondern durch politische Maßnahmen auf den Fluchtrouten. Außerdem soll der Bundestag beschließen können, die Zahl im Ausnahmefall zu überschreiten.

Beobachter sehen hier durchaus Kompromissmöglichkeiten, weil das Wort Ober- oder Höchstgrenze im Unionspapier nicht mehr auftaucht. Außerdem ist die Union jetzt bereit, über ein Einwanderungsgesetz zu reden, das FDP und Grüne schon lange fordern. Hier könnte es in der Migrationspolitik also sogar einen richtigen Fortschritt geben. Im Gegenzug wird die Union aber von den Grünen verlangen, endlich im Bundesrat ihren Widerstand gegen die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer aufzugeben. Das scheint ebenfalls nicht unrealistisch, haben die Grünen einem ähnlichen Beschluss bei den Balkanstaaten doch auch schon zugestimmt. Echt kritisch wird es bei der Frage des Familiennachzugs. Die Union will ihn für einen Teil der Syrien-Flüchtlinge weiter aussetzen, die Grünen dezidiert nicht. Hier sind Kompromisslinien bisher nicht in Sicht.
In der Umweltpolitik dürfte sich ein Hauptstreitpunkt um die Kohle drehen. Schon schrieb Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) der Kanzlerin, sie dürfe auf keinen Fall einem schnellen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung zustimmen. Den aber fordern die Grünen vehement. Ohne einen Erfolg bei diesem Thema, können ihre Unterhändler sich schwerlich bei der Basis sehen lassen, die über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden muss. Mögliche Lösung: Alle drei Jamaika-Parteien haben sich bisher zu den Klimaschutzzielen Deutschlands bekannt, die allerdings 2020 schon verfehlt werden. Sie könnten nun die Klimaziele für das Jahr 2030 - minus 55 Prozent - bekräftigen, und dazu einen Strauß von technischen und steuerlichen Maßnahmen beschließen. Inklusive einer Kohle-Komponente. Das von den Grünen geforderte feste Enddatum für die Zulassung von Verbrennungsmotoren ist ebenfalls ein Streitpunkt - ein Kompromiss könnte in einem Fahrplan für die Umstellung auf Elektromobilität liegen.
In der Bildung fordern FDP wie Grüne, dass das Kooperationsverbot im Grundgesetz fallen soll, damit der Bund den Ländern stärker mit Geld unter die Arme greifen kann. Hier wird seitens der Union ein Einlenken nötig sein - für die FDP ist die Bildung die Top-Aufgabe schlechthin. Der Dissens um das von den Liberalen geforderte Digitalisierungsministerium könnte hingegen vertagt werden. Denn erst am Ende von Koalitionsverhandlungen geht es um Ressorts und deren Zuschnitt. Und dies sind erst Sondierungen darüber, ob eine Jamaika-Koalition überhaupt denkbar ist.

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