"Jeder muss wissen, ob er bleibt"
BERLIN. Der designierte Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Dietmar Bartsch, hält bei der geplanten Fusion mit der WASG Parteiaustritte für möglich. Am Ende müsse jeder für sich entscheiden, ob er dabei bleibe, sagt Bartsch im Interview mit unserer Zeitung.
Herr Bartsch, Ihr ehemaliger Wahlkampfmanager Andre Brie sagt, die Linkspartei sei überaltert, männerdominiert und für junge Leute nicht attraktiv. Hat er Recht?Bartsch: Andre Brie neigt zu Überspitzungen. Aber es ist auch ein Kern Wahrheit darin. Wir müssen dies als Herausforderung annehmen und die Probleme bewältigen. Und Sie tragen dazu bei, indem Sie erneut als Bundesgeschäftsführer kandidieren? Bartsch: Unser Vorsitzender, Lothar Bisky, hat mich dafür vorgeschlagen. Und der Vorstand, der mehrheitlich aus Frauen zusammengesetzt ist, hat das unterstützt. Damit sage ich nicht, dass bei uns nicht mehr Frauen an die Spitze kommen sollen. Was mich betrifft, im Jahre 2002 hätte ich eine Kandidatur sicher ausgeschlossen, weil die Partei damals nach der Niederlage bei der Bundestagswahl in Richtung Fundamentalopposition ging, was nicht meine Position ist. Nun haben wir eine neue Situation, die ich auch als persönliche Herausforderung betrachte. Was heißt das konkret?Bartsch: Ich will mich für mehr Selbstbewusstsein der Partei engagieren und eine größere Gelassenheit in innerparteilichen Debatten. Die Linkspartei muss hör- und erkennbar sein. Gerade vor dem Hintergrund unserer starken Bundestagsfraktion haben wir dafür beste Chancen. Nach der erfolgreichen Bundestagswahl dürfen wir uns auf keinen Fall zurücklehnen. Wir müssen eine starke linke gesamtdeutsche Partei hinkriegen. Das wird das Signal des Dresdner Parteitages sein. Denn diesen Auftrag haben uns immerhin vier Millionen Wähler erteilt. Die angestrebte Vereinigung zwischen Linkspartei und WASG stößt in Teilen der Basis auf erbitterten Widerstand. Kann die Fusion noch scheitern?Bartsch: Nein. Ich rate auch hier zu mehr Gelassenheit. Es wäre völlig unnormal, wenn es in dieser Frage keinen Streit gäbe. Schließlich hat sich die WASG zum Teil auch in bewusster Abgrenzung zur PDS gegründet. Wenn sich eine Partei neu bildet, dann muss am Ende jeder für sich entscheiden, ob er dabei bleibt. Ich setze auf die Vernunft der Linken und darauf, möglichst viele hinzu zu gewinnen. Heißt das auch, dass die Linkspartei ihre ostdeutschen Wurzeln kappt, um gesamtdeutsch akzeptiert zu werden?Bartsch: Das Gegenteil ist der Fall. Wir sind in Ostdeutschland linke Volkspartei und wollen das auch bleiben. Wir werden auch nicht verleugnen, dass wir aus der SED entstanden sind. Das würde uns auch keiner abnehmen. Im Übrigen - das ist meine Erfahrung - ist mancher Westdeutscher inzwischen auch zum pragmatischen Ossi geworden. Wie glaubwürdig kann eine Partei sein, die in zwei Landesregierungen drastische soziale Einschnitte mitträgt, aber als Opposition kräftig dagegen Front macht?Bartsch: Ich kann diese Einschätzung nicht teilen. Natürlich werden in einer Regierungsverantwortung, zumal als kleiner Partner, nicht alle Blütenträume wahr. Deshalb müssen wir über die Ergebnisse der Regierungspolitik kritisch Bilanz ziehen. Wer aber andererseits sagt, regieren auf keinen Fall, der macht sich tatsächlich unglaubwürdig und wird am Ende nicht gewählt. Mit Matthias Platzeck hat nun auch die SPD eine Führungsfigur aus dem Osten. Besorgt Sie die Konkurrenz?Bartsch: Hier stehen wir in der Tat vor einer neuen Wettbewerbssituation. Denn Platzeck sieht sich mit der SPD als wahre Linke, während wir angeblich populistisch und vorgestrig sein sollen. Daraus spricht zumindest die Erkenntnis, dass man uns nicht mehr ignorieren kann. Selbst die CDU beschäftigt sich jetzt mit der Frage, was ist eigentlich sozial? In diesem Wettbewerb haben wir gute Karten. Links ist der Anspruch, bessere Lebensbedingungen für alle zu erreichen. Darauf werden wir bauen. d Das Interview führte unser Korrespondent Stefan Vetter.