Arbeitsmarkt Jeder vierte Azubi wirft vorzeitig hin

Berlin · Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht den Grund dafür in schlechter Bezahlung. Wirtschaftsexperten widersprechen dem.

 Dieser Fliesenleger-Azubi ist mit seiner Ausbildung zufrieden. Für viele andere seiner Genossen, die eine Lehre machen, gilt das allerdings nicht: Sie brechen die Ausbildung ab.

Dieser Fliesenleger-Azubi ist mit seiner Ausbildung zufrieden. Für viele andere seiner Genossen, die eine Lehre machen, gilt das allerdings nicht: Sie brechen die Ausbildung ab.

Foto: dpa-tmn/Ina Fassbender

Mehr als jeder vierte Lehrling bricht seine Berufsausbildung vorzeitig ab – das sind so viele Auszubildende wie noch nie seit den 1990er Jahren. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) macht dafür in erster Linie zu schlechte Vergütungen verantwortlich. Entscheidender sei das Betriebsklima, meinen dagegen Arbeitsmarktforscher.

Im Jahr 2016 wurden gut 146 000 Ausbildungsverträge vorzeitig aufgelöst. So steht es im Entwurf des neuen Berufsbildungsberichts der Bundesregierung, aus dem am Mittwoch erste Einzelheiten bekannt wurden. Der Anteil der Abbrüche liegt demnach bei knapp 26 Prozent – und damit zum Teil deutlich über dem Niveau seit Beginn der 1990er Jahre. Hier bewegten sich die Quoten zwischen 20 und 25 Prozent.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht das Hauptproblem in der Bezahlung der Azubis. Dort, wo die Vergütung besonders niedrig sei, seien auch die Abbrecherquoten „extrem hoch“, erklärte DGB-Vize Elke Hannack. Als Beispiel führte sie das Friseurhandwerk an. Dort starteten pro Jahr im Schnitt etwas mehr als 10 000 Jugendliche ihre Ausbildung, aber nur gut 5000 Azubis würden letztlich die Prüfung absolvieren. „Viele steigen vorher aus, da sie mit der kargen Vergütung nicht über die Runden kommen“, so Hannack.

Ebenso wie die Linkspartei fordern die Gewerkschaften deshalb auch die schnelle Einführung einer bundesweit einheitlichen Mindestvergütung für Azubis – analog zum allgemeinen Mindestlohn. Union und SPD peilen eine solche Mindestbezahlung im Rahmen der geplanten Novelle des Berufsbildungsgesetzes zum 1. Januar 2020 an. Über die konkrete Höhe wird im Koalitionsvertrag allerdings nichts gesagt.

Der DGB hält eine monatliche Mindestbezahlung von 635 Euro im ersten Ausbildungsjahr für angemessen. Auf diesen Betrag kommen aktuell lediglich zwölf Prozent der Azubis. Nach einer Datenübersicht der Gewerkschaften ist die Entlohnung aber nur bedingt ein Gradmesser für die vorzeitige Beendigung einer Ausbildung. So werden zum Beispiel angehende Maler und Lackierer mit 600 Euro pro Monat im ersten Ausbildungsjahr vergütet. Die Abbruchquote liegt aber trotzdem bei fast 42 Prozent. Dagegen verdienen Schornsteinfeger-Azubis 450 Euro, also deutlich weniger, aber von ihnen springen nur knapp 22 Prozent vorzeitig ab.

Wirtschaftsverbände wie der DIHK warnten gestern vor einer einseitigen Fixierung auf die Vergütung. Auch nach Einschätzung der Ausbildungsexpertin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Doris Wiethölter, ist die Bezahlung nur ein Nebenaspekt. „Wirklich entscheidend für einen Auszubildenden sind das Betriebsklima und die Betriebsgröße. Abbrüche häufen sich besonders dort, wo die Ausbildung in Kleinbetrieben erfolgt. Denn dort sind die Arbeitsbedingungen oft weniger attraktiv“, erläuterte Wiethölter im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Vergütung spiele eher eine untergeordnete Rolle. „Das kann man schon daraus schließen, dass etwa jeder zweite Abbrecher in seinem ursprünglichen Beruf bleibt. Das heißt, er wechselt dafür nur den Ausbildungsbetrieb“, so die IAB-Expertin. „Und wenn der Ausbildungsmarkt so entspannt ist wie jetzt, dann wird davon auch häufiger Gebrauch gemacht als in früheren Jahren, in denen Lehrstellen vergleichsweise knapp waren“.

Der Anteil der „echten Abbrüche“, das heißt, wenn keine Ausbildungsalternative oder nur ein Helferjob als Ungelernter in Anspruch genommen wird, ist am Ende jedenfalls relativ gering. Nach Schätzungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) liegt die Quote zwischen sechs und 16 Prozent.

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