Jesus hatte kein Internet
Trier · Warum die Bischöfe in Trier die Frauenfrage mutiger angehen sollten: ein Kommentar von Volksfreund-Redakteur Martin Pfeil.
Die katholischen deutschen Bischöfe sprechen in Trier über Frauen und Kirche. Klar aber auch: Das große Thema ist der Papst-Rücktritt. Der hat es in sich: ein ganz starker Abgang eines starken Papstes. 1870 verkündete das I. Vatikanische Konzil unter Pius IX. die Unfehlbarkeit des Papstes - wenn er "ex cathedra" spricht, das heißt: seine Lehrgewalt ausübt. 2013 tritt Benedikt XVI. als erster Papst aus freien Stücken zurück und bittet die Kardinäle für seine Fehler um Verzeihung. Wie bitte?
2005 war er, bis dahin mächtiger Glaubenshüter im Vatikan, im Eiltempo zum Papst gewählt worden - um den Laden zusammenzuhalten. Acht Jahre später zeigt der große Bewahrer, wie man loslässt. Und als alle noch im Unmut über seine konservative Amtsführung verharren, lässt er in einer Randbemerkung fallen, dass er die Zeit reif sieht für einen Papst aus Afrika.
Wie sich die Zeiten ändern! Jesus hatte kein Internet, heute twittert der Papst. (Für noch rückständige Katholiken: twittern = zwitschern = verbreiten von Nachrichten via Internet.)
Jesus von Nazareth ist in Bedingungen hineingeboren worden, die im Internetzeitalter überholt sind. Manches hat er hochgehalten und mit Leben erfüllt, anderes hinterfragt oder damit aufgeräumt. Eines wissen wir sicher: Auf Frauen hielt er große Stücke, und die Evangelien dokumentieren an entscheidenden Stellen, dass Frauen dort zu finden waren, wo es galt: unter dem Kreuz und zuvor, als die stärksten Männer (Petrus!) stiften gingen, - sowie als erste Zeuginnen der Auferstehung. Nur mit einem formellen Sendungsauftrag wie an die Jünger hat Jesus sie nicht ausgestattet. Sollte der fehlende Einsetzungsakt von damals ein Ausschlusskriterium für alle Zeiten sein? Ist es wirklich theologisch zwingend, die Weihe für alle Zeiten Männern vorzubehalten?
In der Frage hat Benedikt XVI. sich nicht bewegt. Aber indem er das Papstamt mit seinem Rücktritt nun auf bemerkenswerte Weise erdet, macht er auch klar: Die ihm auferlegte Übergangszeit ist vorbei. Nun müssen jüngere, stärkere Kräfte in der Krise die großen Aufgaben anpacken. Das sollte Oberhirten in aller Welt ermutigen, Althergebrachtes zu überdenken und zu prüfen: Was ist wirklich ewig gültig, und was unterliegt normalem Wandel der Zeit?
Würde Jesus heute, in Internetzeiten, twittern? Und würde er heute, bei gewandeltem Weltbild und nach gesellschaftlichen Fortschritten, Frauen von Leitungsfunktionen ausschließen? Überhaupt: Hat er das je getan?
Das Loslassen des Papstes könnte kirchenweit frischen Wind in die Sache bringen. Zwar wird das kleine Häuflein deutscher Oberhirten nicht die Welt aus den Angeln heben. Aber die Bischöfe von heute sind die Kardinäle und Papstwähler von morgen. Schon zu Apostelzeiten wurden kirchliche Streitfragen kontrovers ausgefochten. Ja, es gab Zeiten, da waren Ortsbischöfe wesentlich streitbarer als heute und kannten keinen Tunnelblick nach Rom.
An der Wegscheide der Papstwahl möchte man ihnen heute zurufen: Ihr Männer von Trier, legt die Ängstlichkeit ab, glaubt fester, traut euch was! Und wenn ihr die Welt schon nicht aus den Angeln hebt, dann twittert wenigstens etwas, was den verzagten Katholiken in der Krise Mut macht. Wie wäre es etwa damit, Frauen für die Diakonenweihe vorzuschlagen? Fürs Erste. Und dann sehen wir mal ...
Ach ja: und keine Angst davor, nicht auf Linie zu liegen oder auch mal daneben! Halb so schlimm. Von höchster Stelle ist ja bestätigt: Jeder Mensch macht Fehler, sogar der Papst.
m.pfeil@volksfreund.de