Jetzt quietscht es richtig

Man kann es ja mal probieren. 60 Milliarden Schulden auf dem Konto und den Berlinern kostenlose Kindergärten versprechen. "Arm aber sexy."Klaus Wowereit hat sich mit seiner nonchalanten Art als Hauptstadtbürgermeister profiliert und vor einem Monat wieder die Wahl gewonnen.

Der Bund wird das mit den Schulden schon richten, so lautete seine Botschaft. Wir klagen ja. Wäre das Urteil schon vor der Wahl ergangen, Wowereit hätte viel schlechter abgeschnitten. "Sparen, bis es quietscht", hatte der Sozialdemokrat vor vier Jahren als Leitlinie verkündet. Und es wurde gespart. Es hat auch gequietscht. Aber auf der Folterbank der Kürzungen geht noch viel mehr, hat Karlsruhe den Berlinern gestern trocken mitgeteilt. Das, was das Bundesverfassungsgericht von Berlin verlangt, bedeutet einen Sparkurs, der wirklich an die Grenzen geht. Wohnungsverkäufe, Theaterschließungen, höhere Abgaben, womöglich Studiengebühren. Wird das die PDS aushalten? Wird sie es mitmachen? Die Neuauflage der rot-roten Koalition gerät jedenfalls enorm unter Spannung. Mit der guten Laune dürfte es im Rathaus vorbei sein. Das Urteil ist hart, weil es nicht anerkennt, warum Berlin so in die Bredouille geraten ist. Da war auch der Bund Verursacher, das waren auch die anderen Länder, als sie die zur Hälfte von Zuschüssen abhängige Stadt nach dem Mauerfall abrupt auf Nulldiät setzten. Als könne Berlin nach vierzig Jahren Teilung schon so prosperierend sein wie Frankfurt, München oder Hamburg. Der Schuldenberg ist also auch ein Ergebnis mangelnder föderaler Solidarität mit der eigenen Hauptstadt. Mindestens bei den Hauptstadtlasten sollte der Bund Berlin daher in Zukunft großzügiger entgegenkommen. Das Urteil ist auch ungerecht, weil es die heutigen politischen Akteure für Fehlentscheidungen verantwortlich macht, die zum Beispiel Eberhard Diepgen in seiner langen Amtszeit zu verantworten hat. Das Urteil ist aber dennoch letztlich richtig, weil es ein Stoppsignal gegen die verbreitete finanzpolitische Verantwortungslosigkeit setzt. Die Länder sind eigenständig, die Hilfen der anderen nur die absolute Ausnahme, so lautet die Botschaft. Der Notausgang mit dem Türschild "Sonderhilfen" wird versperrt, der Druck auf finanzpolitische Solidität wird überall erhöht. Das Saarland und Bremen, denen schon einmal mit Milliarden unter die Arme gegriffen wurde, können ihre Klagen auf erneute Hilfen nun praktisch vergessen. Nicht nur in Berlin wird es quietschen. nachrichten.red@volksfreund.de

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