Job weg, Haus weg - alles wegen der Sucht

Trier · Ein Betroffener erzählt vom verhängnisvollen Reiz des Glücksspiels. Und von der Hoffnung, der Spirale entkommen zu können.

Trier Die Daddelkiste an der Wand seiner Stammkneipe war für Waldemar A. nie ein Problem. "Da habe ich ab und zu etwas eingeworfen, wenn ich Kleingeld übrig hatte." Doch ein vermeintlicher Glückstag sollte diese eher gedankenlose Spielangewohnheit zu einem echten Problem werden lassen. "Bei der Glücksspirale hatte ich ein Ticket für das Endspiel der Fußball-WM 2006 gewonnen. Da habe ich zu meinen Kumpels mehr aus Spaß gesagt, dass ich jetzt am Automaten noch das Geld für die Übernachtungskosten bekommen werde." Und tatsächlich spuckte das Gerät an diesem Abend satte 600 Euro aus.
"Das war für mich der Start in die Spielsucht", glaubt der heute 61-Jährige, der - nach mehreren stationären Therapien in der Fachklinik Rosenberg in Daun - derzeit in der ambulanten Reha-Gruppe der Suchtberatungsstelle Die Tür e.V. in Trier daran arbeitet, auf Dauer zum "trockenen Spieler" zu werden.
Suchttherapeutin Sarah Adam ist von dem Willen begeistert, den ihr Klient zeigt. "Das ist leider nicht bei allen der Fall, die zu uns in die Beratung kommen." Nicht selten sind es die Partnerinnen, die ihre Freunde oder Männer zu einem solchen Gespräch überreden. "Da ist die Einsicht manchmal dann nicht sehr groß. Allerdings wünschen wir uns sehr, dass die Leute früher kommen, denn dann sind die Aussichten deutlich besser, von der Sucht und von den Schulden wegzukommen."
Auch bei dem gelernten Dachdecker und Bauklempner Waldemar A. drehte sich nach dem grandiosen Live-Erlebnis des WM-Endspiels bald alles ums Geld. "Ich habe immer wieder und immer mehr Geld in die Automaten eingeworfen und verspielt. Aber ich war mir sehr sicher, ich kann jederzeit damit aufhören." Schließlich hatte er Jahre davor doch auch seine Alkoholprobleme überwunden!
2012, als er nach einem kurzen aber intensiven Alkohol-Rückfall zur erneuten Therapie in der Suchtklinik in Daun war, deutete er an, er sei vielleicht auch spielsüchtig. Wirklich ernst nahm er das damals aber selbst nicht. Und so folgte der Absturz. "Getrunken habe ich seitdem nichts mehr", sagt A. "Aber zwei Monate später habe ich wieder gespielt, mehr als je zuvor." Das steigerte sich, als der Streit mit seinem Chef eskalierte. "Wenn du 100 Euro gewinnst, aber 300 Euro einwirfst, ist das keine gute Rechnung. Aber der Stress bei der Arbeit und die zunehmenden Schulden haben mich immer mehr an die Automaten getrieben."
Waldemar A. verlor seinen Job - nach 19 Jahren in derselben Firma. Als sich irgendwann die Mahnungen für unbezahlte Rechnungen im Haus des Junggesellen bergeweise stapelten, realisierte er, dass er Hilfe braucht. "Ich habe mir einen gesetzlichen Betreuer gesucht, um meine finanziellen Probleme in den Griff zu bekommen." Gemeinsam mit der Schuldnerberatung wurde ein Ausweg gesucht.
Um all die Rechnungen bezahlen zu können, wurde vor zwei Jahren schließlich das Haus des Mannes versteigert. Ende August 2015 begann die stationäre Therapie, um von der Spielsucht loszukommen. Danach folgte die ambulante Betreuung in der Suchtberatung Trier. Seit einem Jahr regelt Waldemar A., der inzwischen in einer betreuten Wohngemeinschaft lebt, seine finanziellen Dinge wieder alleine.
"Ich habe ein neues Leben angefangen", sagt der gesundheitlich angeschlagene 61-Jährige, der nun von Hartz IV lebt, ohne sich darüber zu beklagen. "Natürlich würde ich gerne als Hausmeister arbeiten. Aber in meinem Alter ist es schwer, etwas zu bekommen."
Doch nicht nur ältere Menschen verfallen dem Reiz der klassischen Spielautomaten, weiß Suchttherapeutin Sarah Adam: "Wir haben es auch immer wieder mit ganz jungen Leuten zu tun, die spielen. Wenn da bei 1200 Euro Monatsgehalt 800 Euro im Automaten landen, ist das kein reines Freizeitvergnügen mehr, auch wenn sie es so empfinden." Und auch die Annahme, dass Internet-Spiele und -Sportwetten den Automaten den zweifelhaften Rang ablaufen, will sie nicht bestätigen. "Die eine Hälfte unserer Klienten in der ambulanten Rehagruppe hat Probleme mit den klassischen Spielautomaten, die andere Hälfte zockt bei Internet-Wetten. Das sind fast ausschließlich Studenten."
Für den "trockenen" Spieler Waldemar A. ist zumindest das kein Thema. So selbstbewusst wie früher ist er mit Blick auf sein eigenes Verhalten aber nicht mehr. "Für Spielcasinos habe ich mich sperren lassen, und ich gehe auch nicht in Gaststätten, in denen Spielautomaten hängen. Aber ich weiß nicht, wie ich in wirklichen Stresssituationen reagieren würde."
Die Suchtberatung Trier Die Türe.V., Oerenstraße 15, Telefon 0651/170360, bietet an jedem Freitag von 13 bis 17 Uhr eine offene Sprechstunde an.
Extra: BERATUNGSSTELLEN UND SPIELERSPERRE


Für Menschen, die vom Glücksspiel abhängig geworden sind, gibt es in der Region Trier drei Beratungsstellen, die auf dem Weg aus der Sucht Hilfe und Unterstützung bieten. Träger sind der Caritasverband Westeifel mit Anlaufstellen in Bitburg und Daun, die Suchtberatung Die Tür e.V. in Trier sowie der Caritasverband Mosel-Eifel-Hunsrück mit der Geschäftsstelle in Wittlich. Die Suchtberatung Trier Die Tür e.V. ist zuständig für die Stadt Trier und den Kreis Trier-Saarburg. Seit 2012 ist es in Rheinland-Pfalz möglich, sich für Besuche in Spielhallen sperren zu lassen. Das kann ein Schutz vor weiteren finanziellen Verlusten und eine Hilfe beim Weg aus der Sucht sein. Meist lässt der Spieldruck nach. Zusammen mit anderen Maßnahmen kann der Betroffene so die Basis dafür schaffen, sich mit seiner Spielsucht auseinanderzusetzen und weitere Hilfen anzunehmen. Das Landesglücksspielgesetz sieht seit 2015 ein übergreifendes elektronisches Sperrsystem vor, das diese Einzelsperren überflüssig machen soll. Die drei Fachstellen bedauern, dass dieses Gesetz noch nicht umgesetzt ist. <%LINK auto="true" href="http://www.spielersperre-jetzt.de" text="www.spielersperre-jetzt.de" class="more"%>

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