John McCain im freien Fall

"John McCains letzte Chance?" So betitelte der US-Fernsehsender CNN am Wochenende seine Berichterstattung über die Wahl-Schlacht und das heute abend in Nashville (Tennessee) stattfindende zweite Debatten-Duell der Präsidentschafts-Kandidaten. Die düsteren Wolken in Form der Finanzkrise an der Wall Street und der sich abschwächenden Wirtschaft überschatten mittlerweile auch die Ambitionen des 72-jährigen Vietnam-Veteranen.

Washington. Die Umfragen zeigen, so kommentierte es jetzt Joe Klein vom "Time"-Magazin, McCain "im freien Fall". Bezeichnend für die schwindenden Optionen auf einen Sieg: Die Entscheidung McCains, den Bundesstaat Michigan weitgehend kampflos Barack Obama zu überlassen. Denn gerade in und um die Automobilbauer-Metropole Detroit, so glauben die McCain-Manager, werde man den republikanischen Bewerber für die desolate Absatzlage mit in Sippenhaft nehmen.

Doch auch in anderen Staaten, in denen im Jahr 2004 George W. Bush noch wichtige Wahlmänner-Stimmen gewann, läuft mittlerweile der Demokrat seinem Gegner den Rang ab. North Carolina beispielsweise, wo Bush vor vier Jahren mit 13 Prozent vorn lag, wurde von Obama als Hauptquartier für die Debattenvorbereitung benutzt - als deutliches Zeichen an die Wähler: Mit mir ist hier zu rechnen. Doch wie kontert John McCain, dem seit der Verkündung seiner Kandidatur schon so manches Comeback gelungen ist? Die ersten Indizien sprechen dafür, dass bei McCain und vor allem seiner Vize-Kandidatin Sarah Palin jetzt endgültig die Handschuhe ausgezogen worden sind, um mit persönlichen Tiefschlägen zu punkten.

Am Wochenende stellte Palin erneut einen Zusammenhang zwischen Obama und dem früheren Untergrundkämpfer William Ayers her, obwohl sich der Demokrat längst von dem Ex-Linksradikalen und Bombenleger distanziert hat. Dennoch beharrte Palin darauf, Obama gebe sich mit Terroristen ab (der TV berichtete).

Völlig unklar ist derzeit, ob das nun verabschiedete und vom Präsidenten unterzeichnete Banken-Rettungspaket die wirtschaftlichen Sorgen der Bürger in den verbleibenden vier Wochen bis zur Abstimmung in den Hintergrund drängen kann.

Auch im Lager des Demokraten hat man mittlerweile die Tonart verschärft und verweist auf die zwielichtige Rolle McCains im sogenannten "Keating Five"-Skandal.

McCain war vor zwei Jahrzehnten einer von fünf Senatoren, die Geschenke vom heute inhaftierten Finanz-Tycoon Charles Keating entgegengenommen und gleichzeitig bei Bankaufsehern interveniert hatten, die Keatings Geschäftsgebaren unter die Lupe nehmen wollten. Die Folge dieser Einflussnahme war eine formelle Abmahnung McCains durch den Senat und der Kollaps des Keating-Bankenverbundes, bei dem Zehntausende von Bürgern den größten Teil ihrer Ersparnisse verloren. "Es gibt so viele Parallelen zur derzeitigen Krise, dass die Wähler die Einzelheiten des Keating-Skandals kennen müssen", so Obamas Manager David Plouffe gestern. Dabei hätte er vermutlich den Rückgriff in die Vergangenheit gar nicht nötig. Denn einer Statistik und aktuellen Umfragen der "New York Times" zufolge käme Obama, würde heute abgestimmt, auf 260 der 270 für den Sieg erforderlichen Wahlmänner. McCain hätte vermutlich lediglich 200 Wahlmänner sicher. Was bedeutet, dass von den verbleibenden 78 sogenannten "electoral votes" der 44-jährige Demokrat gerade einmal zehn benötigen würde, um als erster Farbiger in der amerikanischen Geschichte ins Weiße Haus einzuziehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort