Jugendhaftanstalt als letztes Mittel

Kommunizieren lernen, eine Ausbildung machen oder kurz mal ins Gefängnis blicken: In der Region Trier gibt es verschiedene Einrichtungen, die straffälligen Jugendlichen helfen, ihr Verhalten zu ändern.

Trier/Welschbillig/Wittlich. Was passiert mit Jugendlichen, die gestohlen, jemanden überfallen oder zusammengeschlagen haben? In der Region Trier gibt es verschiedene Jugendhilfe-Einrichtungen. Der Trierische Volksfreund hat drei besucht. Die Starthilfe Trier

In der Trierer Karl-Marx-Straße befindet sich der Verein Starthilfe Trier und dessen Beratungsstelle für gefährdete und straffällige junge Menschen sowie deren Eltern und Angehörige. Im Büro von Geschäftsführerin Rita Alexas steht ein runder Tisch. "Hier setzen wir uns zum Gespräch zusammen, hier entschuldigt sich auch schon mal ein Schläger bei seinem Opfer", erzählt sie.Die Starthilfe Trier betreut seit 1971 Jugendliche im Alter zwischen 14 bis 25 Jahren. Delikte "quer durch das Strafregister" haben die Jugendlichen begangen. Mit unterschiedlichen Maßnahmen versucht die Starthilfe diesen Jugendlichen zu helfen. Anti-Gewalt-Training wird angeboten oder pädagogische Wochenenden. Eine ziemlich "karge" Veranstaltung sei das, erklärt Alexas. Es wird vorgeschrieben, welche Kleidung mitzubringen ist, Musik ist untersagt, übernachtet wird in einer Hütte. Selbstversorgung und körperliches Auspowern beim Holzhacken und einem langen Marsch gehören zum Programm. Zudem würde über die begangenen Straftaten gesprochen. Die pädgagoischen Wochenenden haben zwei Ziele: Es gehe darum, eine Aufgabe zu bestehen, außerdem sei es eine Art Sühne, erklärt Alexas.Die Starthilfe organisiert auch so genannte Gitterstunden. Jugendlichen wird die Strafanstalt Wittlich gezeigt, damit sie einen Eindruck bekommen, was Gefängnis-Leben bedeutet. Viele Maßnahmen, ein Problem: "Es ist schwierig, einzuschätzen, welche Maßnahme für welchen Jugendlichen am besten ist", sagt Alexas. "Für den einen ist es ein Kurzarrest, für den anderen ein Anti-Gewalt-Training." Don Bosco Helenenberg

Im ehemaligen Kloster auf dem Helenenberg befindet sich heute das Jugendhilfezentrum Don Bosco Helenenberg. Hier werden Jugendliche im Alter von elf bis 21 Jahren vor allem stationär in Wohngruppen untergebracht. Sie besuchen die hauseigene Haupt- oder Förderschule oder machen eine Ausbildung. Außerdem erwerben die Jugendlichen "SchlüsselQualifikationen", sagt Sieglinde Schmitz, Leiterin des Jugendhilfezentrums. "Dazu gehören Pünktlichkeit, Ordnung, Fleiß, Selbstbeherrschung." Trainiert und kontrolliert werden die Ziele mit Hilfe eines Erziehungsplans. Täglich gibt es Punkte: für ein aufgeräumtes Zimmer oder kollegiales Verhalten zum Beispiel. "Hat der Jugendliche genügend Punkte, bekommt er Vergünstigungen" erklärt Erziehungsleiter Carsten Lang. Wichtig sei, das Verhalten der Jugendlichen zu ändern.Jugendstrafanstalt Wittlich

"Wir sind das letzte Mittel", sagt Robert Haase, stellvertretender Leiter der Jugendstrafanstalt Wittlich. "Bei uns sind die Jugendlichen, bei denen andere Maßnahmen vor der Haft nicht gewirkt haben." 165 Jugendliche sind momentan im geschlossenen Bereich der Anstalt inhaftiert. Das Durchschnittsalter liegt bei 19 Jahren. Jeder Jugendliche bekomme einen Vollzugsplan, sagt Haase, der sei vorgeschrieben. Darauf ist vermerkt, welche Aufgaben der Jugendliche während seiner Haft zu erfüllen habe. "Zum Beispiel ein Anti-Gewalt-Training besuchen." Arbeit oder Schule, Sport sowie Gesprächs- und Hofstunden prägen den Alltag. "Eine Ausbildung ist schwierig", erklärt Haase, "denn die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt bei 13 Monaten." In Planung sei, einzelne Qualifizierungs-Maßnahmen wie einen Gabelstabler-Führerschein anzubieten. Diese Scheine ließen sich in kürzer Zeit erwerben und gäben den Jugendlichen Qualifikationen mit auf den Weg. EXTRA Statistik: Die Gewaltkriminalität bei Jugendlichen hat in Rheinland-Pfalz deutlich zugenommen. Innerhalb von fünf Jahren bis 2006 stieg sie um 25 Prozent. Gab es im Jahr 2002 noch 3500 Tatverdächtige unter 21 Jahren im Bereich Gewaltkriminalität, waren es 2006 bereits 4450. Bei Jugendlichen bis 18 liegt der Zuwachs sogar bei 30 Prozent. Die Zahl der weiter gefassten so genannten Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit lagen laut polizeilicher Kriminalitätsstatistik mit einem Anstieg von 20 Prozent über den Fünfjahreszeitraum mit 9000 mehr als doppelt so hoch. Seit dem Jahr 2002 stiegen die gefährlichen und schweren Körperverletzungen bei den Jugendlichen unter 21 Jahren um fast ein Drittel auf mehr als 3900. Ähnlich hoch ist der landesweite Anstieg bei den Körperverletzungen insgesamt.Günther Ucharim, beim Landeskriminalamt für den Bereich Jugendkriminalität zuständig, nennt drei Ursachen für die gestiegenen Gewalt-Zahlen: Es gibt mehr Körperverletzungen, konsequenter als früher wird Anzeige erstattet und eine immer bessere Ermittlungsarbeit der eigens eingerichteten Jugendsachbearbeiter bei der Polizei führt zu höheren Fall-Zahlen. (win)

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