Julia Klöckners neue Strategie

Mainz · Jahrelang hat die Nürburgring-Affäre der CDU-Opposition im Landtag das Leben leicht gemacht. Anlass zu Kritik an der Landesregierung gab es reichlich. Seit es stiller geworden ist um die Eifel-Rennstrecke, fährt Parteichefin Julia Klöckner eine andere Strategie.

Mainz. Julia Klöckner hat sich selbst schon oft als "geländegängig" bezeichnet. Damit will sie signalisieren, dass sie sich als Politikerin auch auf schwieriges Terrain wagt und die Auseinandersetzung mit dem Gegner nicht scheut. Der ehemalige Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) bekam das im Landtagswahlkampf 2010/2011 deutlich zu spüren. Freche Widerworte wie von Klöckner, zum Beispiel bei einer Fernsehwahldebatte, war "König Kurt" nicht gewohnt und reagierte entsprechend griesgrämig.TV-Analyse Landespolitik


Mit dem Stabwechsel von Kurt Beck zu Malu Dreyer im Januar 2013 hat sich die Oppositionsführerin zum ersten Mal gewandelt. Natürlich kann Julia Klöckner eine Frau nicht mit so harschen Worten kritisieren wie das alte Schlachtross Beck. Das würden ihr die Wähler übelnehmen, zumal Dreyer als charmant gilt.
Die CDU-Chefin hat das rasch erkannt und begegnet ihrer Widersacherin ausgesucht höflich, redet sie im Landtag immer wieder freundlich an - um dann kleine, feine Nadelstiche zu setzen. Klöckner versucht vor allem, Dreyer Führungsschwäche zu attestieren und das herauszuarbeiten. Die Regierungschefin antwortet darauf meist nicht.
Nürburgring, Flughafen Hahn, Flughafen Zweibrücken, Schlosshotel Bad Bergzabern: Kriselnde Strukturprojekte wie diese haben der Opposition seit Beginn der Legislaturperiode 2011 mannigfaltige Gelegenheiten geboten, die rot-grüne Landesregierung vor sich herzutreiben. Irgendwann muss es den Christdemokraten jedoch gedämmert haben, dass Dauerkritik zu wenig wäre, um 2016 die langersehnte Machtübernahme zu schaffen.Gutes Gespür für Themen


Erstaunlich schnell nach der großen Kabinettsumbildung von Ministerpräsidentin Malu Dreyer im November, mit der sie die Baustellen schließen wollte und das tatsächlich - zumindest beim Nürburgring - weitgehend geschafft hat, präsentiert sich die CDU in einem anderen Stil. Sie poltert weniger, versucht stattdessen, mit inhaltlicher Sacharbeit zu punkten. Plötzlich liegen gut ausgearbeitete, ausführliche Positionspapiere auf dem Tisch.
Dass Julia Klöckner ein gutes Gespür für Themen hat, bei denen die Union sich profilieren und die Landesregierung in die Enge treiben kann, hat sie zu Beginn des Jahres bewiesen. Als die Ministerpräsidentin noch im Urlaub weilte, zeigte die Opposition in der Flüchtlingspolitik Flagge.
Den klagenden Kommunen, deren drängenden Gesprächsbedarf die Staatskanzlei verkannte, bot die Union beim Flüchtlingsgipfel im Plenarsaal des Landtags eine Bühne.
Und sie entwickelte daraus inhaltliche Aussagen, die in einem Positionspapier mündeten. Rot-Grün blieb nichts anderes übrig, als hinterherzulaufen und plötzlich auch eine Flüchtlingskonferenz anzukündigen.
Wenig später das gleiche Spiel beim Thema Mindestlohn: Wieder erkennt die Opposition den großen Unmut von Firmen und Vereinen bei der Umsetzung des neuen Gesetzes, wieder bietet sie den Plenarsaal des Landtags als Bühne an, wieder zieht sie daraus inhaltliche Schlüsse, die dann den Weg nach Berlin zu Bundeskanzlerin Angela Merkel finden.
Klare Vorstellungen der CDU werden schließlich vergangene Woche nach einer zweitägigen Klausurtagung in Mainz sichtbar. Julia Klöckner kommt zum Pressegespräch nicht alleine, sondern hat den parlamentarischen Geschäftsführer Hans-Josef Bracht sowie die Unions-Experten Hedi Thelen (Soziales) und Matthias Lammert (Innere Sicherheit) im Schlepptau. Die Chefin fängt an, dann lässt sie beiden Raum, um klare Positionen zu präsentieren.

Beispiel Polizei: Die CDU zeigt diesmal nicht nur detailliert auf, wie die Personalstärke der Beamten im Land sich entwickelt hat und entwickeln wird und was ihrer Ansicht nach versäumt wurde und nachgeholt werden muss. Die Union legt zusätzlich dar, wie die 300 Beamtenstellen, die sie als notwendig erachtet, finanziert werden sollen: kein Nationalpark (6 bis 15 Millionen Euro im Jahr, je nach Sichtweise), keine Energieagentur (bislang 7, künftig 4,5 Millionen Euro).
Rot-Grün rätselt offenbar noch, wie diese von sehr guten Umfragewerten beflügelte Opposition gebändigt werden kann. Früher hieß es meist, die CDU biete keine eigenen Inhalte. Jetzt wird behauptet, die Positionen der Union seien nur reine Parteipolitik. Das wirkt eher hilflos.

Fakt ist: Eine Opposition, die sich nicht nur auf Fundamentalkritik versteift, sondern mehr und mehr ihr eigenes Profil schärft und dem Wahlvolk eine Alternative aufzeigt, rückt der Regierungsfähigkeit ein gutes Stück näher.Extra

Wer vorne sitzt, ist wichtig: Die SPD-Landtagsfraktion hat eine neue Sitzordnung. In der ersten Reihe tauchen plötzlich neue Köpfe auf. Keinesfalls sind das aber wie früher der Fraktionschef - jetzt Alexander Schweitzer - und fünf Stellvertreter. Nachdem Günther Ramsauer ausgeschieden und Carsten Pörksen zum parlamentarischen Geschäftsführer geworden ist, hat die SPD vielmehr zwei Vize weniger. Die beiden frei gewordenen Plätze in der vordersten Reihe nehmen nun Bettina Brück und Martin Haller ein. Laut Fraktionschef Schweitzer ist das gemacht worden, um nach außen zu signalisieren, welche Themen der SPD besonders wichtig sind: Brück ist Sprecherin für Bildung, Haller für Digitale Infrastruktur. Die Entscheidung ist in der Fraktion einstimmig gefallen. fcg

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