Juncker kämpferisch, Merkel vorsichtig
Kein freies Wochenende für Bundeskanzlerin Angela Merkel: Im Vorfeld des heiklen Brüsseler EU-Gipfels traf sich Merkel gestern Abend auf Schloss Senningen mit dem luxemburgischen Premier Jean-Claude Juncker.
Luxemburg. "Wenn der bevorstehende EU-Gipfel scheitert, wäre das nicht Deutschland anzulasten. So konstruktiv wie dieses Mal ist auf dem Präsidentensessel selten zuvor gehandelt worden." Ein dickeres Lob als das ihres luxemburgischen Amtskollegen Jean-Claude Juncker hätte sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel kurz vor Abschluss der deutschen EU-Präsidentschaft kaum wünschen können. Aber die Zeichen vor dem am Donnerstag in Brüssel beginnenden Gipfel sind weiter düster, auch wenn der luxemburgische Premier nach wie vor optimistisch ist: "Es sieht eher nach Einigung als nach Scheitern aus", sagte der gerade erst von einer Operation genesene Christsoziale nach einem Gespräch mit Merkel auf Schloss Senningen.Hintergrund der Krisendiplomatie am Wochenende ist der immer noch erbitterte Widerstand Polens gegen eine Veränderung seines Stimmengewichts. Und daran hat auch das vierstündige Gespräch der Kanzlerin mit dem polnischen Staatspräsidenten Lech Kaczynski am Samstag nichts geändert. Die polnische Position sei "in der Sache unverändert", sagte die Kanzlerin und klang dabei etwas weniger zuversichtlich als ihr luxemburgischer Kollege. Es gebe noch ernste Probleme zu lösen, und das gehe eben nur mit Kompromissbereitschaft. Und wohl notfalls auch mit sanftem Druck auf den sich beharrlich sträubenden EU-Partner Polen. "Wir gehen mit gehobenem Kampfesmut nach Brüssel", meinte denn auch der durch zahllose nächtliche Verhandlungspoker in der Vergangenheit gestählte dienstälteste Regierungschef in der EU.Vor dem Gespräch mit dem luxemburgischen Premier hatte sich die Bundeskanzlerin am Wochenende neben dem polnischen Staatspräsidenten Lech Kaczynski auch mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Mirek Topolanek getroffen, um Kompromissmöglichkeiten im Streit um eine EU-Vertragsreform auszuloten. Beim größten Streitpunkt, der polnischen Forderung nach einer Neuverhandlung der Stimmengewichtung in der Europäischen Union, blieb Kaczynski zwar - wie bereits erwähnt - unnachgiebig, ließ aber ein Hintertürchen offen: "Vorläufig sind wir bei unseren Ansichten geblieben, wenn auch mit der Überzeugung, dass man einen Erfolg suchen muss." Bislang verlangt Polen, dass das Gewicht der einzelnen Staaten im europäischen Rat mit der Quadratwurzel aus der jeweiligen Bevölkerungszahl berechnet wird. Diese Berechnung würde kleinere und mittlere EU-Staaten gegenüber größeren bevorzugen. Polen, das nur halb so viele Einwohner wie Deutschland hat, bekäme danach sechs Stimmen, Deutschland neun.Der von Polen abgelehnte Abstimmungsmodus basiert dagegen auf einer "doppelten Mehrheit". EU-Beschlüsse wären demnach angenommen, wenn mindestens 55 Prozent der EU-Staaten zustimmen, die zudem mindestens 65 Prozent der Bevölkerung stellen.Das am Donnerstag beginnende Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel gilt als eines der schwierigsten bislang. Angela Merkel will zum Abschluss der deutschen EU-Ratspräsidentschaft einen verbindlichen Fahrplan zur Verabschiedung des vereinfachten EU-Vertrags vereinbaren.