Jung ist unten durch

Verhärtete Fronten: Der deutsche Bundestag debattierte in seiner gestrigen Sitzung zum Thema Afghanistan. Während der Schutz der Opfer im Vordergrund stand, übten die Parteien harsche Kritik an der Arbeit von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU).

Berlin. Als Angela Merkel (CDU) sein Pult passiert, zuckt die Hand von Franz Josef Jung (CDU) kurz nach vorn, zieht sich aber gleich wieder zurück, weil er merkt, dass sich ihm keine Hand zum Gruß entgegenstreckt. Merkel geht weiter zu Wirtschaftsminister Karl-Theodor Guttenberg (CSU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), mit denen sie lange redet und lächelt. Die Kanzlerin hat für ihren Verteidigungsminister an diesem Dienstag in der Afghanistan-Debatte des Bundestages keine freundliche Geste übrig. Auch kein gutes Wort.

Keine Hilfe von SPD und Opposition zu erwarten



Nicht wegen des für bis zu 135 Afghanen tödlichen Bombenangriffs, den ein deutscher Offizier letzten Freitag befahl, ist Jung in Ungnade gefallen. Sondern wegen seiner hilflosen Erklärungen hinterher. Von der SPD und den Oppositionsparteien hat er ohnehin keine Hilfe zu erwarten. Aber auch die Kanzlerin ist erkennbar ungehalten. Denn unversehens droht ihr das Wahlkampfthema Afghanistan Stimmen wegzunehmen.

Wie er sich ihrer Meinung nach hätte äußern sollen, macht Merkel in ihrer Regierungserklärung vor. Es ist die erste überhaupt, die sie zu dem "Kampfeinsatz in Afghanistan" abgibt, wie sie das Geschehen nennt. Jung spricht immer nur von "Stabilisierungsmission". Einerseits erklärt Merkel, sie "verbitte" sich Vorverurteilungen, ob aus dem Inland oder dem Ausland. Das richtet sich gegen die Amerikaner. Andererseits zeigt sie Mitgefühl für die Opfer: "Ohne Umschweife: Jeder Unschuldige, der zu Tode kommt, ist ein Toter zu viel". Und dann: "Ich bedauere das zutiefst, und es ist mir wichtig, das zum Ausdruck zu bringen". Weiter schließlich: "Lückenlose Aufklärung ist ein Gebot der Selbstverständlichkeit". Das ist der Ton, den die kritische deutsche Öffentlichkeit hören will.

Aber Jung bringt ihn auch hier nicht über die Lippen, sondern redet wieder umständlich davon, dass die Aufklärung nur Taliban an den entführten Tanklastern gezeigt habe. Von ihnen sei eine Gefahr für die deutschen Soldaten ausgegangen. "Man stelle sich nur vor, was mit den Lastwagen hätte angerichtet werden können". Während seiner Rede hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) den Saal verlassen. Und Merkel verzieht keine Miene, als Jung an ihr vorbei zurück an seinen Platz geht. Normalerweise nicken sich Vertreter der Regierungsbank anerkennend zu, wenn einer von ihnen gesprochen hat. Außerhalb dieses Problems aber zeigen die Parteien über die Grenzen von vier Fraktionen hinweg weiter große Einigkeit über den Sinn des Afghanistan-Einsatzes - und gegen die Linken, die nach dem Zwischenfall erst recht den sofortigen Abzug der Bundeswehr fordern. Allerdings wird deutlich, dass alle Parteien nun eine mittelfristige Rückzugsperspektive suchen.

Fortschritte in den nächsten fünf Jahren gefordert



Merkel erläutert ihren Plan, den sie mit Frankreichs Nikolai Sarkozy und Englands Gordon Brown ausgeheckt hat. Demnach soll Ende des Jahres auf einer Afghanistan-Konferenz über "konkrete Zielvorgaben" der "Verantwortungsübernahme" durch die afghanischen Sicherheitskräfte geredet werden. Nachdem zum zweiten Mal eine Präsidentenwahl erfolgt sei, müsse es nun innerhalb der nächsten fünf Jahre substantielle Fortschritte für eine solche Strategie geben. Das entspricht schon fast dem Abzugs-Zieljahr 2015, das Alt-Kanzler Gerhard Schröder kürzlich ins Gespräch brachte. Steinmeier bleibt da nur der verzweifelte Hinweis, dass er einen derartigen Plan schon lange vor dem Bomben-Zwischenfall ins Gespräch gebracht habe. "Wir brauchen klare Buchungen für den Aufbau von Polizei und Armee in Afghanistan. Dafür werbe ich seit Wochen", sagt der Kanzlerin-Herausforderer. Parteiübergreifend also rückt jetzt das geordnete Ende des Einsatzes in den Mittelpunkt. Aber eher ohne als mit Franz Josef Jung.

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