Juristischer Maulkorb

Justiz stoppt Kunst: Der in Anlehnung an den Kannibalen von Rotenburg gedrehte Kinofilm "Rohtenburg" darf nach einer Entscheidung des Frankfurter Oberlandesgerichts in Deutschland nicht gezeigt werden.

Nicht etwa weil in dem Film bestialische Grausamkeiten zu sehen wären, sondern weil das Persönlichkeitsrecht des echten Kannibalen schwerer wiegen soll als die Kunst- und Filmfreiheit. Eine Abwägung, die einem richterlich verhängten Maulkorb gleichkommt. Mit einer solchen Begründung könnte künftig jeder Film, aber auch jedes Buch, jedes Gedicht oder jedes Lied, das sich an reale Personen oder Sachverhalte anlehnt, verboten werden, wenn es den "Hauptdarstellern" nicht passt. Als Präzedenz- und Sündenfall in diesem Kontext gilt immer noch das mittlerweile schon mehr als 30 Jahre alte "Lebach-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts. Damals wurde dem ZDF die Ausstrahlung einer Dokumentation über die 1969 im Saarland verübten Morde an vier Soldaten untersagt, weil dadurch die Resozialisierung der Täter gefährdet sei. Ein Urteil, das in der Folgezeit immer wieder bemüht wurde, wenn (vorübergehend) prominente Zeitgenossen Medien oder Filmemacher in die Schranken weisen wollten. Diese Art der Zensur ist jetzt auch dem derzeit erneut vor Gericht stehenden Kannibalen gelungen. Juristisch spricht übrigens nichts dagegen, dass der schon einmal als Mörder verurteilte Mann seine Lebensgeschichte selbst vermarktet, wie dies etwa der Kaufhauserpresser "Dagobert" vor ihm getan hat. Auch der Kannibale hat "seinen" Film schon in Auftrag gegeben. Diesem Treiben schiebt keine Justiz einen Riegel vor. r.seydewitz@volksfreund.de

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