(K)ein Tropfen auf den heißen Stein

Während in ganz Deutschland über Massenschlachtungen und die Abschaffung der Milchquote diskutiert wird, will ein findiger Händler den Bauern auf dem direkten Weg helfen: mit dem "Milchzehnerl".

Chieming. Es gibt viele Ideen, wie man den notleidenden Milchbauern helfen könnte. Zum Beispiel über den Kauf von extra verteuerter Milch, auch wenn Verbraucherschützer mitunter glauben, dass der Aufpreis nicht immer bei den Landwirten ankommt. Was sich allerdings Joseph Pfeilstetter ausgedacht hat, ist ungewöhnlich und neu: Wer in einem seiner sieben Supermärkte einkauft, kann einen freiwilligen "Soli" auf Milchprodukte leisten - "Milchzehnerl" hat der quirlige Mittelständler seine Aktion genannt. Und höchstpersönlich will er demnächst bei den Bauern seiner Region im Chiemgau vorstellig werden, um die Mehreinnahmen an sie zu verteilen.
Bewusstsein der Verbraucher schärfen

Eigentlich könnte man meinen, dass angesichts der bayerischen Idylle im schönen Chieming die Welt noch in Ordnung ist. Ist sie aber nicht: Den Milchbauern rund um den Ort geht es genauso wie vielen ihrer Berufskollegen anderswo. Bundesweit leiden Landwirte unter dem rapiden Preisverfall bei der Milch, der Bauernverband hat sogar Massenschlachtungen von Kühen ins Gespräch gebracht - und sich dafür in Brüssel und Berlin eine Abfuhr geholt. Das ist große Politik. Pfeilstetter indes hat sich überlegt, was er im Kleinen tun kann, wie er das Bewusstsein der Verbraucher für die Nöte der Bauern schärfen kann.

Die Kuh scheint ihr nasses Maul fast aus dem Bild herauszustrecken, ein feuchter, satter Kuss droht. Das Motiv hat sich Pfeilstetter einfallen lassen. Als kleines Dankeschön, denn wer einen solchen Aufkleber mit der Kuh und einem Zehn-Cent-Stück drauf am Kühlregal seines Ladens entfernt und auf eine Milch oder einen Joghurt klebt, tut Gutes: Der zahlt freiwillig zehn Cent mehr für das Produkt. An der Kasse muss die Verkäuferin dann jedes Mal eine eigene Taste drücken, wenn ein solches Erzeugnis über das Band läuft. Reich wird man von dem Obolus nicht: 300 Euro hat der Inhaber in den ersten zwei Wochen der seit Anfang Juli laufenden Aktion zusätzlich eingenommen, 3000 Kunden haben in seinen Supermärkten den "Milchzehnerl" verklebt und extra gezahlt. Zufrieden ist Pfeilstetter mit dem bisherigen Ergebnis nicht, er hat auf deutlich mehr gehofft.

In Umfragen geben viele Verbraucher gerne an, dass sie bereit sind, mehr für die Milch zu bezahlen, wenn beim Bauern auch mehr ankommt. "Es gibt aber auch viele Leute, die die Bauern für Jammerer halten", erklärt Pfeilstetter die Zurückhaltung. Seine Aktion werde durchaus kontrovers an der Ladenkasse diskutiert. Ihm gehe es aber darum, das Bewusstsein für Lebensmittel und die Leistung der Bauern beim Verbraucher zu schärfen, quasi ein Akt der Solidarität. Entmutigen lassen will er sich daher nicht.
Landwirte sprechen von Almosen

In einigen Monaten soll abgerechnet und das Geld dann an die Bauern in bar ausbezahlt werden. Zwar ist nicht jeder Landwirt darüber glücklich, von "Almosen" sei bei so manchem die Rede gewesen, gibt Pfeilstetter zu. Trotzdem: Geht es nach dem Supermarkt-Besitzer, sollen die Bauern ihren Kampf für höhere Preise nicht länger alleine führen. Er macht weiter. Und im Ort haben inzwischen auch schon einige Wirte das Konzept übernommen.

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