Kampf gegen den Kollaps

Glaubt man dem Deutschen Städtetag, läutet für manche Städte und Gemeinden demnächst die Totenglocke. Weniger Steuer-Einnahmen aufgrund der Krise, ständig wachsende Aufgaben und die Bewältigung des seit Jahren aufgelaufenen Schuldenbergs schaffen eine fatale Kombination.

Berlin. Wenn die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende des Deutschen Städtebunds, der Interessenvertretung der Großstädte, vor die Presse tritt, ist man an Klagetöne gewöhnt. Aber so dramatisch war es selten. Von einem drohenden "Kollaps" sprach die Kommunalpolitikerin - und forderte ein Krisentreffen der kommunalen Spitzenverbände mit der Bundesregierung.

Nachdem die Kommunen 2008 noch ein Plus verbucht hatten, betrug das Defizit 2009 laut Städtetag 4,5 Milliarden Euro. Durch die Wirtschaftskrise hätten einige Städte bei der Gewerbesteuer Verluste von mehr als 40 Prozent gehabt, sagte Roth. Gleichzeitig seien die Sozialausgaben im vergangenen Jahr auf etwa 40 Milliarden Euro gestiegen - fast doppelt so viel wie Anfang der 90er Jahre.

In diesem Zusammenhang bemängelte Städtetag-Hauptgeschäftsführer Stephan Articus, dass den Städten vom Bund immer mehr Aufgaben übertragen würden, die die Kommunalhaushalte belasteten. Roth wies auf Mindereinnahmen durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz hin und warnte: "Weitere Steuersenkungen, die die Kommunen belasten, können wir nicht verkraften."

"Tränenlisten" mit den härtesten Sparmaßnahmen



Articus warnte vor den Folgen der kommunalen Finanzlage. Viele Städte seien gezwungen, Schwimmbäder zu schließen, Investitionen zu streichen oder Personal zu reduzieren. Die Folge: Anstieg der Arbeitslosigkeit, was wiederum zu höheren Sozialausgaben führe.

Derweil beginnen immer mehr Städte, denen das Wasser bis zum Hals steht, das Kommunalrecht auf mögliche Einnahmequellen abzuklopfen. So entdeckte die Stadt Kassel in ihrer Satzung die bislang nie erhobene Straßenmusiker-Sonderabgabe. Seither kassiert man fünf Euro pro Stunde oder 15 Euro pro Tag. Worauf das Aufkommen an Künstlern in der Fußgängerzone dramatisch nachließ. Da haben andere weit gravierendere Sorgen. Vor allem in Nordrhein-Westfalen mit seiner Städte-Dichte sind viele Kommunen regelrecht pleite. So zog der Wuppertaler OB Peter Jung angesichts eines 220-Millionen-Haushaltslochs die Reißleine. Das Theater soll über die Wupper gehen - und fünf Bäder.

In NRW macht das Wort von den "Tränenlisten" die Runde. Gemeint sind die zu Papier gebrachten "Grausamkeiten" der Stadtkämmerer. Bochum will 500 Verwaltungsstellen streichen und zwölf Schulen schließen. Die Theater in Hagen und Essen sollen auch wackeln. Dortmund fährt die Preise für Zoo und Westfalenpark hoch, in Köln ziehen die Müll- und Straßenreinigungsgebühren an. Angesichts der Misere hat das Vertrauen der Kommunen in die Unterstützung von Bund und Ländern mächtig gelitten. Künftig, so fordert Städtetag-Geschäftsführer Articus, wolle man an der vorgeschriebenen Folgekosten-Abschätzung für neue Gesetze beteiligt werden. Kommentar

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