Kampf gegen Diabetes und Krebs - Kommt mehr Gesundheit per Gesetz?

Berlin · Es ist das letzte große Projekt von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP): Das lange vorbereitete Gesetz für mehr Prävention kommt auf die Zielgerade. Doch können Übergewicht, Sucht und Volkskrankheiten so eingedämmt werden?

Seit mehr als zehn Jahren kündigen die wechselnden Bundesregierungen an, etwas gegen die großen Volkskrankheiten und ungesundes Verhalten zu tun. Nun - ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl - will Schwarz-Gelb ein Präventionsgesetz durchs Kabinett schleusen. Doch wie sollen die Bundesbürger millionenfach zu besserem Essen, mehr Bewegung, weniger Rauchen und Trinken gebracht werden? Schwarz-Gelb und die Opposition haben unterschiedliche Vorstellungen.

Dabei ist allen klar: Viel ist zu tun. 60 Prozent der Männer und 43 Prozent der Frauen in Deutschland gelten als zu dick. Stress nimmt für viele immer weiter zu. Zehntausende Arbeitnehmer verstecken laut einem „Welt am Sonntag“-Bericht ihre Depressionen sogar vor dem Arbeitgeber. 9,5 Millionen Menschen in Deutschland trinken laut Regierung gefährlich viel. 31 Prozent der Männer und 21 Prozent der Frauen rauchen.

Was ist der Ansatz der Koalition, um die Deutschen endlich zu gesünderem Verhalten zu bewegen? Vor allem die Krankenkassen und die Ärzte, daneben etwa auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sollen es richten. Die Kassen sollen verstärkt Angebote machen, um konkret Diabetes, Brustkrebs, das Rauchen und Depressionen einzudämmen sowie um gesundes Verhalten zu fördern. Die Ärzte sollen ihre Patienten nicht nur per Früherkennung auf Krankheiten untersuchen - sondern auch riskantem Verhalten bei noch Gesunden nachspüren. Die Empfehlungen des Arztes sollen dazu führen, dass spezielle Kurse auf Kassenkosten stärker frequentiert werden. Die regelmäßigen U-Untersuchungen für Kinder sollen bis zu zehn Jahren stattfinden. Bisher ist als letzter dieser Checks die U9 für Fünfjährige vorgesehen.

Der damalige Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hatte bereits 2010 eine Initiative zum Thema angekündigt, aber betont: „Dazu braucht es kein neues Präventionsgesetz.“ Die Unionsfraktion gab ihren Plänen für mehr Gesundheit vor einem Jahr selbstbewusst die Überschrift „Glückliches Deutschland“. Doch ob mit dem nun entstandenen Gesetzentwurf tatsächlich jemand glücklich wird, ist fraglich. Die Opposition ist es schon einmal gar nicht. So moniert die SPD, die sechs Euro, die die Kassen künftig für Prävention ausgeben müssten, seien viel zu wenig. Zumal nur ein Euro davon für spezielle Anstrengungen im konkreten Umfeld der Menschen fließen soll. „Das ist der große Webfehler“, sagt die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink.

Reicht es, in erster Linie auf die Kassen und Ärzte zu setzen? Nein, meint die Politikerin. Gerade Geringverdiener, Arbeitslose, Arme erreiche man so kaum. „Man muss Schulen, Kitas, Familienzentren, Altenheime, Sportvereine, Nachbarschaftszentren an einen Tisch holen“, sagt sie. „Doch die Koalition scheut die Auseinandersetzung mit den Kommunen und den Ländern.“ Moderieren sollen das laut den Grünen die Kommunen, finanziert werden soll es nicht allein über die Kassen, sondern über regionale Budgets, die auch von Rentenkasse, Arbeitsagentur und Privatversicherern gefüllt werden.

Im Vergleich zu solchen Ansätzen handelt es sich bei dem Koalitionsentwurf nach Ansicht der Linken-Expertin Martina Bunge gar um ein „Anti-Präventionsgesetz“. Für Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sind das keine guten Vorzeichen. Denn er und die Union sind für ihr Gesetz auf den Bundesrat angewiesen. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn schlägt forsche Töne an: „Seit zehn Jahren reden alle wolkig und mit großen Worten über Prävention - insbesondere SPD und Grüne.“ Sie müssten nun entscheiden, „ob sie nur Sonntagsreden halten und blockieren oder ob sie mitziehen“. Mehrere SPD-regierte Länder kündigten bereits an, eigene Anträge für mehr Gesundheit in die Länderkammer einzubringen.

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