Kampf gegen Kinderarmut

Trotz des Wirtschaftsaufschwungs leben derzeit mehr als 1,9 Millionen Kinder unter 15 Jahren in armen Familien. Die Politik will endlich handeln.

Berlin. Im vergangenen Jahr schockte Unicef mit der Erkenntnis, dass mehr als 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland arm sind. In dieser Woche wurde die Zahl von der Bundesagentur für Arbeit (BA) sogar getoppt: Trotz Wirtschaftsaufschwung leben derzeit mehr als 1,9 Millionen Kinder unter 15 Jahren in armen Familien, also in solchen, die Arbeitslosengeld II beziehen. Die Politik will nun handeln. Der Druck wird immer größer angesichts der Zahlen. Deshalb berät nicht nur die Union am Montag über ein Maßnahmenbündel, sondern das Thema kommt auch auf die Agenda des Bundeskabinetts. Als ein Mittel gegen die wachsende Armut sieht die Regierung die Reform des so genannten Kinderzuschlags an. Er wird Eltern gezahlt, die zwar ihren eigenen Unterhalt bestreiten können, aber nicht den ihrer Kinder. Dadurch soll verhindert werden, dass sie Hartz-IV-Leistungen in Anspruch nehmen müssen. Der Zuschlag beträgt höchstens 140 Euro pro Monat, viele der Betroffenen erhalten jedoch deutlich geringere Beträge. Bisher galt der staatliche Zuschuss auch als wenig wirksam. Laut Caritas-Verband ist der Kreis der Bezieher wegen der eng gefassten Einkommensgrenzen viel zu gering: "Wir halten eine Reform für unverzichtbar, um Kindern das Existenzminimum zu sichern", sagte ein Sprecher. Das gehe aber nur, wenn Kinderzuschlag und Kindergeld zusammen rund 300 Euro pro Kind ergeben würden. Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) strebt jetzt an, die Zahl der betroffenen Kinder von 124 000 im Jahr 2006 auf 530 000 zu vervierfachen. Die Kosten beziffert ihr Ministerium dann auf jährlich 572 Millionen Euro. Derzeit verhandelt sie darüber mit Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD). Der wiederum sieht die Leistung als Teil eines neuen "Erwerbstätigen-Geldes", das gering Beschäftigte und Erwerbslose vor Armut und damit Hartz IV schützen soll. Für Müntefering gehört auch der umstrittene Mindestlohn in dieses Konzept. Das aber macht die Sache kompliziert: Den Mindestlohn lehnt die Union ab. Einige andere Maßnahmen sind zudem in der politischen Diskussion: Da Hartz-IV-Empfängern kein Kinderzuschlag gewährt wird, erhält ihr Nachwuchs 60 bis 80 Prozent der Erwachsenen-Regelsätze als Sozialgeld. Erste Forderungen sind laut geworden, auch diese Leistung aufzustocken. Über eine gestaffelte Erhöhung des Kindergelds, wie von Ministerin von der Leyen angedacht, soll zudem Ende des Jahres beraten werden. Wenige Chancen räumt hingegen das Finanzministerium der Idee ein, auf Produkte für Kleinkinder und Kinder nur noch den ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu erheben.

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