Kanzler, Bäcker oder Journalist

Bäcker haben es gut: Brötchen backen kann man immer, denn die Leute haben immer Hunger. Auch Kanzler können nicht recht klagen, schließlich will das Volk immerfort regiert werden. Journalisten haben es da schon schwerer, denn was macht ein Berichterstatter, wenn es keinen Bericht zu erstatten gibt?

Wenn einfach nichts passiert, außer Katastrophen im Ausland? Soll er dann Däumchen drehen? "Space War" auf dem Handy spielen? Oder soll er davon träumen, wie schön es wäre, ein rechtschaffener Bäcker zu sein? Wie dem auch sei, es ist nicht ganz einfach in diesen Tagen zwischen den Jahren, als politischer Berichterstatter Bericht zu erstatten: Das Berliner Regierungsviertel ist verwaist, die Reform-Politiker liegen erschöpft im heimischen Ohrensessel und verdauen ihren Festschmaus, und in den Amtsstuben herrscht Ruh, weil sämtliche Staatsdiener ihren Resturlaub abfeiern. Überhaupt scheint in Deutschland niemand mehr zu arbeiten, außer Verkäuferinnen und Politessen. Mit harten Nachrichten ist also nichts. Zwar köchelt das Thema Maut vor sich hin, doch ist das mittlerweile so langweilig wie "Deutschland sucht den Superstar". Auch die Suche nach Stoff für kontemplative Betrachtungen gestaltet sich schwierig: Alle Kommentare zu irgendwelchen Steuerreformen, rot-grünen Koalitionskrisen, gesamteuropäischen Perspektiven und globalen Veränderungsprozessen sind bereits gedacht, gesagt, gesendet und geschrieben worden. Was also tun? Über das Konkurrenzverhältnis von Angela Merkel und Edmund Stoiber spekulieren? Den Spaßfaktor von Guido Westerwelle analysieren? Die Brüsseler Ambitionen des GAAZ (Größter Außenminister Aller Zeiten) Joschka Fischer sezieren? Nein und nochmals Nein. Solche Texte sind schon in normalen Zeiten schwer vermittelbar. Kurz vor dem Rutsch ins neue Jahr sind sie unzumutbar. Der Korrespondent schreibt also: nichts. Er denkt nach, telefoniert in der Gegend rum, kramt im Archiv und surft durchs Internet. Alles umsonst. Es ist nun mal winterliche Saure-Gurken-Zeit, und wenn das Fernsehen bei der Silvesteransprache des Bundeskanzlers (die gestern aufgezeichnet wurde) keine Kassetten vertauscht, wird sich daran vorerst auch nichts mehr ändern. Deshalb muss der Journalist jetzt kleine Brötchen backen und hoffen, auf dass endlich wieder was passiert, über das zu berichten sich lohnt. Es muss ja nicht gleich eine Reform sein. nachrichten.red@volksfreund.de

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