Kanzler kapituliert, Feiertag bleibt

Berlin. Die Welle der Empörung hat die Feiertags-Verleger zur Umkehr gezwungen. Nur einen Tag nach der offiziellen Ankündigung, den nationalen Gedenktag vom 3. Oktober auf einen Sonntag verschieben zu wollen, mussten Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein Finanzminister Hans Eichel einen Rückzieher machen.

Es blieb dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Franz Müntefering überlassen, die Kapitulation zu verkünden. Ihr war ein heftiger Koalitionsstreit vorausgegangen, in dem sich die Grünen durchgesetzt haben. In einer Erklärung sprach Müntefering am Freitagnachmittag von der "fehlenden Unterstützung des Projekts", weshalb er den "Vorschlag" nicht weiterverfolgen werde. Der Vorschlag stammt von Eichel, war von Schröder akzeptiert - und von Bundespräsident Horst Köhler in einer spektakulären Brief-Aktion kritisiert worden. Als sich die Grünen-Spitze einhellig dagegen aussprach und sich auch in zahlreichen Telefonaten nicht umstimmen ließ, zogen Schröder und Müntefering die Konsequenzen. Zuvor hatte der Kanzler dem Vernehmen nach schon auf dem EU-Treffen in Brüssel von seinem verärgerten Außenminister Joschka Fischer zu hören bekommen, dass er dieses Spiel nicht mitmachen werde. Nach Andeutungen aus Reihen der Grünen war Fischer darüber verstimmt, dass er von Schröder nur "zeitnah" über das Feiertagsvorhaben informiert worden war. Aber auch in der Sache konnte der Außenminister dem Plan keinen Reiz abgewinnen. Die Entscheidung dazu hatte ein kleiner Kreis um Schröder, Eichel und Müntefering getroffen. Die gesamte Grünen-Spitze (Claudia Roth, Reinhard Bütikofer, Krista Sager und Katrin Göring-Eckardt) war nicht eingebunden. Schröder und Eichel haben nun die Quittung dafür bekommen, das gewagte Vorhaben nicht im Vorfeld auf seine Machbarkeit hin überprüft zu haben. Anstatt sich an die eigene Nase zu fassen, schimpften Sozialdemokraten am Freitag aber auf die Grünen, die "öffentlich als Opposition durch die Gegend gelaufen" seien. Es sei schon erstaunlich, hieß es in der SPD-Fraktion, dass ausgerechnet "die Partei der Besserverdiener" am Einheitstag als Feiertag festhalten wolle. Allerdings waren es beileibe nicht nur die Grünen, die gegen "diese nationale Schande" (Hartmut Koschyk, CSU) aufbegehrten. Selten hat eine so große Koalition der Verweigerer zusammen gefunden: Die Union war komplett dagegen, die FDP, die PDS, die Ministerpräsidenten, die Kirchen, die Gewerkschaften - und eben der Bundespräsident. Köhlers Brief an den Kanzler (am Donnerstagabend) hatte eine Dynamik in die Angelegenheit gebracht, die noch Folgewirkungen haben kann. In der Bundesregierung ist man einigermaßen entsetzt darüber ("ein unglaublicher Vorgang"), dass der Präsident sich in einen Sachverhalt einmischte, der erst als Regierungsvorhaben existierte.

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