Karlsruhe stärkt die kleinen Parteien: Piraten freuen sich

Berlin · Das Bundesverfassungsgericht hat die Fünf-Prozent-Hürde für Parteien bei Europawahlen gekippt. Das Urteil entfacht sogleich eine neue Debatte: Muss nicht bei bei der Bundestagswahl Gleiches gelten? Darauf pochen mehrere kleinere Parteien.

Berlin. Die Piraten freuen sich, die Linke will jetzt Druck machen, und die anderen Parteien bremsen: Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Fünf-Prozent-Hürde bei der Europawahl für nichtig zu erklären, ist die Debatte darüber entbrannt, ob die Klausel nicht auch bei Bundestagswahlen fallen sollte.
"Hürden für kleinere Parteien sind nicht mehr zeitgemäß", sagte gestern das Berliner Fraktionsmitglied der Piratenpartei, Christopher Lauer, dem TV. Die Piraten freuten sich, dass die "unsinnige Klausel" gefallen sei, sagte Lauer. Er forderte die etablierten Parteien auf, das Urteil zum Anlass zu nehmen, das Wahlrecht in Deutschland umfassender als geplant zu modernisieren. "Für das, was die Bundestagsparteien bislang auf Weisung des Verfassungsgerichts vorgelegt haben, gilt das nicht", so Lauer. Wähler müssten auch mehr Möglichkeiten bekommen, auf die Zusammensetzungen von Listen der Parteien einzuwirken.
Ohne die Fünf-Prozent-Hürde hätten die Piraten 2009 den Einzug ins EU-Parlament geschafft - so wie sechs weitere Parteien, darunter Die Republikaner, Die Tierschutzpartei und die ÖDP.
Die schwarz-gelbe Koalition hatte kürzlich im Bundestag ihren umstrittenen Gesetzentwurf für ein neues Wahlrecht gegen die Stimmen der Opposition durchgesetzt, nachdem das Verfassungsgericht bereits 2008 Änderungen gefordert hatte.
Die Pläne der Koalition sehen vor, Überhangmandate beizubehalten, die Opposition will diese einschränken oder ausgleichen. Gegen die Pläne der Regierungsparteien wurden inzwischen Beschwerden in Karlsruhe eingereicht. Die Geschäftsführerin der Linksfraktion, Dagmar Enkelmann, hofft nun wegen des aktuellen Urteils, dass das Verfassungsgericht auch die Fünf-Prozent-Hürde bei Bundestagswahlen bewerten wird. "Ich bin dafür, sie zu kippen", sagte Enkelmann auf Nachfrage. Viele Wählerstimmen würden durch die Klausel einfach wegfallen. "Den kleineren Parteien ist zudem der Zugang zum Parlament allein schon aus finanziellen Gründen erschwert", betonte sie.
Für die SPD kommentierte Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann, das Urteil werde "keine Auswirkungen auf die Wahl zum Bundestag haben". Die Fünf-Prozent-Klausel in Deutschland "hat einerseits eine Zersplitterung der Parteienlandschaft verhindert und andererseits ermöglicht, dass auch neue Parteien in den Bundestag eingezogen sind".
Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck ergänzte, im Gegensatz zum Bundestag wähle das EU-Parlament auch keine Regierung, die auf seine andauernde Unterstützung angewiesen sei.
Ähnlich Stimmen waren gestern auch aus der Union zu hören.
Extra

In der Europäischen Union gibt es kein einheitliches Wahlgesetz. Die 27 EU-Staaten können ihr Wahlverfahren - bei bestimmten Vorgaben - auch zur Europawahl eigenständig regeln. So dürfen Mitgliedsländer Sperrklauseln für Parteien von maximal fünf Prozent festlegen, was fast die Hälfte der Staaten tut. Eine Hürde von fünf Prozent gilt etwa in Deutschland und Frankreich. Vier Prozent sind in Österreich und Schweden erforderlich. Eine Drei-Prozent-Sperrklausel gilt in Griechenland, 1,8 Prozent sind es in Zypern.

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