Karriere eines untypischen Kriminellen

Nach nur einem Prozesstag wurde gestern von der dritten Großen Strafkammer des Trie-rer Landgerichts einer der größten Drogendealer der Region zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Prozess fand unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt, da der 27-jährige Eifeler Kronzeuge in anderen Drogenprozessen ist.

Trier. Mario S. ist ein "alter Bekannter". Bereits dreimal ist der fahrig wirkende 27-Jährige wegen Drogenhandels verurteilt worden. Staatsanwalt Jörn Patzak, der die 61 Anklagepunkte verliest, kennt ihn noch von früheren Verfahren. Als unbelehrbar bezeichnet er ihn.

Mit 16 Jahren hat Mario S. das erste Mal mit Rauschgift Kontakt, gerade als er eine Lehre als Koch in einem Eifeler Hotel angefangen hat, die er später abbricht. Im Schwimmbad in Oberweis (Eifelkreis Bitburg-Prüm) lernt er einen Dealer aus den Niederlanden kennen - der Beginn einer unrühmlichen Karriere. Dabei macht er eigentlich nicht den Eindruck des typischen Drogenkriminellen: nach Schulabbruch und beruflicher Perspektivlosigkeit auf die schiefe Bahn geraten. Nichts von alledem trifft auf Mario S. zu. Trotzdem ist der vor Gericht sympathisch wirkende und sprachlich gewandte junge Mann zu einem der größten Drogendealer in der Region geworden. In buchhalterischer Genauigkeit zählt er vor Gericht alle ihm vorgeworfenen Taten auf, kann sich noch genau an die einzelnen Mengen des gekauften Stoffs, das Datum jeder Bestellung und Fahrt ins niederländische Vaals zu seinem Drogenhändler erinnern. Nicht nur der Vorsitzende Richter Hardt staunt angesichts der für einen Drogenabhängigen ungewöhnlichen Detailtreue. Ein "durchorganisiertes und filigranes Geschäftsgebaren" wird ihm im psychiatrischen Gutachten bescheinigt.

Selbst seine Verurteilungen halten ihn nicht davon ab, ein regelrechtes Drogennetz in der Eifel aufzubauen - mit Kurieren, die ihm den Stoff bis vor die Haustür bringen. "Das Koks hat mich größenwahnsinnig gemacht", sagt er. Er habe sich unbesiegbar gefühlt. Nach einer Therapie wird er schnell rückfällig, nachdem er wieder Kontakt mit seinen Eifeler "Freunden" hat. Die Sucht bestimmt sein Leben, 50 Gramm Kokain pro Woche habe er sich zum Schluss "reingezogen", mit Backpulver zum gefährlichen Crack gemischt, sagt er - bei einem Preis von rund 40 Euro pro Gramm wird klar, dass er mit dem Drogenhandel seine Sucht finanzieren muss. Mehrere Hunderttausend Euro dürfte er im vergangenen Jahr damit verdient haben. Dreimal ist er dem Tod durch eine Überdosis noch gerade so "von der Schippe gesprungen". Auch am 16. Januar, als er in seiner Lahnsteiner Wohnung festgenommen wird, bricht er zusammen.

Vielleicht ist es die Angst davor, dass er, wenn er so weiter macht, seine Sucht nicht überlebt, macht ihm Staatsanwalt Patzak bei seinem Plädoyer unmissverständlich klar. Die Angst, die ihm dazu getrieben hat, alles zu gestehen und mit seiner Aussage seine Kunden, Händler und Kuriere "hochgehen" zu lassen. 180 Verdächtige hat er mit seinem Geständnis den Fahndern des Zolls und der Kripo Wittlich, die seit einem halben Jahr gegen das Drogennetz des Mario S. ermittelt, geliefert. Den Ermittlern sei damit ein Schlag gegen die Drogenszene in der Eifel und in den Niederlanden gelungen, heißt es. Der 27-Jährige wird damit zum Kronzeugen in mehreren Verfahren. Aus Angst, dass jemand, der von ihm "Reingezogenen" Rache üben könnte, herrscht vor und im Gerichtssaal Sicherheitsstufe eins. Nicht unbegründet. Laut Anwalt Olaf Langhanki ist von Mittätern ein Kopfgeld auf den Großdealer ausgesetzt worden. Richter Hardt gibt Mario S. "eine letzte Chance". Mit einer relativ milden Freiheitsstrafe von sechs Jahren, die - nach Ende von 15 Monaten Haft und 21 Monaten Entziehungsanstalt - nach drei Jahren beendet sein könnte, will er ihm helfen, von den Drogen wegzukommen. Hardt macht aber auch klar, dass es bei einem Rückfall keine Gnade mehr gibt: "Wenn wir uns wiedersehen, droht Sicherungsverwahrung." Mario S. käme dann nie mehr aus dem Gefängnis.

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