Kassen-Kampf

TRIER. Billigkassen fordern die großen Krankenkassen heraus: Derzeit tobt ein noch nie da gewesener, aggressiver Konkurrenzkampf zwischen den Krankenversicherungen.

Die ersten Änderungen der Gesundheitsreform haben die Versicherten bereits zum Jahresanfang zu spüren bekommen. Die Beiträge vieler Krankenkassen gingen deutlich nach oben. Grund: Bevor der umstrittene Gesundheitsfonds mit Einheitsbeiträgen startet, müssen alle gesetzlichen Kassen entschuldet sein. Und das geht nur, wenn sie ihre Mitglieder zur Kasse bitten. Ungewohnt aggressive Werbung

Allerdings hat das zu einem erbitterten Wettbewerb geführt. Denn die Kassen, die wie etwa die AOK Rheinland-Pfalz ihre Beiträge drastisch erhöht haben, versuchen derzeit mit Bonuswochen, Prämien und Arzneimittelrabatten, die die Zuzahlungen zu Medikamenten verringern, ihre Mitglieder bei der Stange zu halten. Die Konkurrenz wiederum, wie etwa die IKK Südwest, geht konkret mit Hinweis auf die höheren Beiträge der AOK auf Kundenfang. Man habe die "Gunst der Stunde" genutzt, sagt IKK-Südwest-Sprecher Roland Spengler. Die ungewohnt aggressive Werbung, auf die die AOK nach eigenem Bekunden "knallhart reagieren" werde, habe dazu geführt, dass im Januar und Februar so viele Mitgliedsanträge wie noch nie eingegangen seien, sagt Spengler. Er spricht von "Dimensionen, die wir bisher noch nicht hatten". Billigkassen auf Kundenfang

In Rheinland-Pfalz hat die IKK rund 88 000 Mitglieder. Doch nicht nur die einstige Innungskasse ist derzeit kräftig auf Kundenfang. Auch andere so genannte Billigkassen, die in der Fläche kaum präsent sind, weil sie keine Geschäftsstellen haben und wegen des geringeren Personalaufwands ihre Beiträge niedrig halten können, versuchen derzeit massiv den größeren Konkurrenten Mitglieder abspenstig zu machen. Da investieren plötzlich Krankenkassen Millionen in Werbekampagnen, von denen viele bislang noch nie etwas gehört haben - zum Beispiel die BKK Mobil Oil. Ein Wettbewerb, der wie die Mainzer Gesundheitsministerin Malu Dreyer gestern noch einmal sagte, durchaus gewollt ist und mit der Gesundheitsreform noch verstärkt werden soll. Diese virtuellen Kassen haben es aber vor allem auf junge und gesunde Mitglieder abgesehen. Verlockend ist der Wechsel schon. So spart ein Versicherter der IKK 35 Euro im Monat im Vergleich zu einem AOK-Mitglied - und das bei fast annähernd gleichen Leistungen. Denn der Wettbewerb beschränkt sich fast ausschließlich auf die Beiträge. Bei der Behandlung von Mitgliedern so genannter Billigkassen wird kein Unterschied zu Versicherten der großen Kassen gemacht. "Das geht im Alltag gar nicht. Da müsste der Arzt ja immer im Kopf haben, welche Kasse welche Leistungen bezahlt", sagt der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz, Carl-Heinz Müller. Trotzdem - oder besser gerade wegen der gleichen Leistungen - ist den Ärzten die Ausbreitung der kleineren Krankenkassen ein Dorn im Auge. Denn diese bezahlen an die KV pro Versichertem geringere Pauschalen als die AOK oder große Ersatzkassen. "Die Leistungen gehen weiter zurück"

Diese einmalige jährliche Kopfpauschale zahlen die gesetzlichen Krankenkassen nur für die Hauptversicherten, also nicht für die beitragsfrei mitversicherten Kinder und nicht arbeitenden Ehepartner. Sie liegt zwischen rund 240 und 600 Euro. Das Geld wird über die einzelnen KV als Honorar an die Ärzte verteilt. Seit 1991 sind Pauschalen festgeschrieben, lediglich eine jährliche Anpassung an die Lohnentwicklung ist möglich. Die Kopfpauschale gesetzlicher Krankenkassen, die damals überwiegend junge und gesunde Mitglieder hatten und dementsprechend weniger für Behandlungskosten ausgeben müssen, wurde entsprechend niedriger angesetzt, als die von großen Kassen mit vielen älteren Mitgliedern. Daran hat sich seit 16 Jahren nichts geändert. So betrug nach einem Bericht der Ärztezeitung 2004 die Kopfpauschale der IKK im Saarland 248 Euro, die der AOK 397 Euro und die der Technikerkrankenkasse 475 Euro. Die Ärzte im Saarland drohten damals damit, IKK-Versicherte nicht mehr zu behandeln. Eine Entwicklung, die Müller nachvollziehen kann. Durch den immer größeren Zulauf der Billigkassen, komme immer weniger Geld in das Gesundheitssystem, befürchtet der KV-Chef. Die Folge ist seiner Ansicht nach klar: "Die Leistungen gehen weiter zurück."

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