Kaum einer glaubt an den Erfolg

Trier · Praxisuntauglich - so bezeichnen Verantwortliche aus der Region den neuen Bundesfreiwilligendienst. Sie glauben nicht mehr an den Erfolg des Zivil-Ersatzdienstes.

Trier. Er sollte eine neue Kultur der Freiwilligkeit schaffen, der neue, am 1. Juli gestartete Bundesfreiwilligendienst, kurz BFD. Doch offenbar ist diese Kultur weniger verbreitet, als sich das Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) erhofft hat. Zumindest in Hinsicht auf den BFD. 35 000 BFD-Stellen sollen bundesweit besetzt werden. Damit sollen die durch das Abschaffen der Wehrpflicht weggefallenen Zivi-Stellen ersetzt werden. Doch sechs Wochen nach dem Start des BFD sprechen Träger von sozialen Einrichtungen von einem Fehlstart. Bundesregierung und BFD-Anbieter schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Um die Zahl der BFD-Bewerber zu erhöhen, wollte das Bundesfamilienministerium Zuschüsse für das immer noch beliebtere Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) nur noch dann gewähren, wenn auf drei FSJ-Plätze zwei BFD-Plätze kommen. Die Träger sind dagen auf die Barrikaden gegangen, mit Erfolg. Die Pläne sind vom Tisch. Trotzdem können viele Träger dem neuen BFD nichts Gutes abgewinnen. Michael Köbler spricht von einem "Reizthema". Köbler leitet das Hofgut Serrig. In dem von der Lebenshilfe getragenen landwirtschaftlichen Betrieb und in den angeschlossenen Werkstätten werden 160 Behinderte betreut und gefördert.
Doch offenbar findet sich kein Freiwilliger, der dort arbeiten will.
Es habe sich keiner beworben, berichtet Köbler, und liefert gleich die Erklärung dafür: "In unserer Leistungsgesellschaft werden ein früher Schulabschluss und eine sich direkt anschließende Berufsausbildung oder ein Studium angestrebt.
Schlüsselqualifikationen, die sich aus einem sozialen Dienst ergeben, werden nicht in dem Maße geschätzt, wie es eigentlich erforderlich wäre." Dabei hätte in den vergangenen Jahrzehnten die Arbeit auf dem Hofgut "vielen jungen Menschen zur Persönlichkeitsentwicklung und Ausbildungsreife geholfen". "Diese Menschen haben gerade bei uns in der Einrichtung gelernt, mit Menschen umzugehen, die anders sind", sagt Köbler. Er glaubt nicht mehr an den Erfolg des BFD.
Auch Paul Haubrich, Geschäftsführer der Behindertenbetreuung Club Aktiv in Trier, ist skeptisch, was den Erfolg des Freiwilligendienstes angeht. "Der Bund sollte ein praxisnahes Konzept, das sich an den Bedürfnissen der Freiwilligen und der Einsatzstellen orientiert, auf die Beine stellen", fordert Haubrich, der verzweifelt nach Freiwilligen sucht, die die 90 weggefallenen Zivistellen ersetzen können.
Das bislang geringe Interesse am BFD hänge auch damit zusammen, dass der neue Dienst erst zum 1. Juli gestartet sei und die Rahmenbedingungen lange Zeit unklar gewesen seien, sagt Hans Wax beim Bistum Trier zuständig für die Freiwilligen-Dienste. Man müsse dem neuen BFD Zeit lassen.
Für die Freiwilligen bestehe zudem kein Unterschied, ob sie ein FSJ machen oder sich für den BFD bewerben. Beim Bistum wurden daher einige FSJ-Stellen als BFD-Stellen deklariert.
Klar sei aber auch, dass der neue Dienst den alten Zivildienst nicht ersetzen könne, sagt Wax. . Was ist der Bundesfreiwilligendienst? Der Bundesfreiwilligendienst wurde von der Bundesregierung als Nachfolger für den Zivildienst eingeführt. Er soll es nicht nur ermöglichen, dass ehemalige Zivildienststellen weiterhin besetzt werden können, sondern auch die bereits bestehenden Freiwilligendienste ergänzen. Im Gegensatz zum bis zum 27. Lebensjahr begrenzten Zivildienst, gibt es beim BFD keine Altersgrenze, auch Rentner können sich bewerben. Allerdings müssen alle bis 27 Jahre 40 Stunden pro Woche BFD machen, Ältere nur 20 Stunden. Der BFD dauert in der Regel zwölf Monate, kann aber auf 24 Monate verlängert werden. Welche Vergünstigungen gibt es beim BFD? Im Gegensatz zum Zivildienst nur wenige. So entfallen für BFD-ler kostenlose Bahnfahrten. Gibt es ein Taschengeld für den BFD? Ja. Der Höchstbetrag liegt bei 330 Euro. Eine genaue Summe ist aber nicht festgelegt. Das Taschengeld kann daher von Träger zu Träger unterschiedlich sein. Für Freiwillige unter 25 soll es aber ein höheres Taschengeld geben als für Ältere. Erhalten Freiwillige Kindergeld? Mittlerweile ja. Zunächst war das nicht vorgesehen. Um jedoch eine Gleichbehandlung mit dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) zu gewährleisten, wurde das nun geändert. Worin besteht der Unterschied zwischen BFD und FSJ? Das Freiwillige Soziale Jahr gibt es bereits seit 1962. Jugendliche zwischen 16 und 26 sollen sich durch das FSJ in einem sozialen Projekt engagieren. Bis auf die Altersgrenze beim FSJ gibt es wenig Unterschiede zum BFD. Das Angebot an FSJ-Stellen reicht von der Krankenhausarbeit, über ein Engagement im Kindergarten bis hin zum Trainieren einer Fußballmannschaft oder dem Einsatz im kulturellen Bereich. red

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