Kaum einer will das Bildungspaket

Das seit Ende März geltende Bildungspaket für 2,5 Millionen Kinder aus bedürftigen Familien stößt bei den Betroffenen bislang kaum auf Interesse. Gründe sind offenbar große Informationsdefizite und hohe bürokratische Hürden.

Berlin. Die Regierung will ihr Prestige-Projekt nun mit einem eilends anberaumten Runden Tisch retten. Auf der Homepage des Bundesarbeitsministeriums ist die Welt noch in Ordnung. Unter dem Stichwort Bildungspaket, das vom warmen Mittagessen über Zuschüsse für den Sportverein bis zum Nachhilfeunterricht reicht, kann ein Video mit glücklichen Kindern abgerufen werden. Daneben preist Ressortchefin Ursula von Leyen (CDU) den sozial- und bildungspolitischen Fortschritt durch ihr Projekt.

Rückwirkende Leistungen



Die Realität sieht anders aus. Medienberichten zufolge haben in sozialen Brennpunkten bislang nur etwa zwei Prozent der Betroffenen das Bildungs- und Teilhabepaket für ihre Kinder genutzt. Das erstaunt schon deshalb, weil es auch rückwirkend Leistungen gibt, für die zum Teil kein Nachweis erbracht werden muss, ob sie auch wirklich in Anspruch genommen wurden. Darunter fällt das warme Mittagessen an Schulen, Kitas und Horten. Die Frist für einen Antrag auf rückwirkende Leistungen ist nach geltender Rechtslage allerdings nur noch bis Ende April möglich. Danach verfällt der Anspruch.

Den Grund für das dürftige Echo sieht die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, vor allem in der schlechten Informationspolitik der Regierung. "Es ist völlig unverhältnismäßig, dass ein ganzes Jahr lang um das Gesetz gerungen wurde, aber die Betroffenen jetzt nur wenige Wochen Zeit haben, um Leistungen rückwirkend zu beantragen", kritisierte Pothmer gegenüber unserer Zeitung.

Große Anlaufschwierigkeiten



Die geltende Frist sei viel zu kurz, um die Leute über ihre Ansprüche zu informieren. Deshalb müsse die Frist "um mindestens ein viertel Jahr verlängert werden, weil die Menschen ansonsten um ihre Ansprüche geprellt werden", forderte Pothmer. Auch für die kommenden Monate erwartet er große Probleme. "Anstatt das Geld an die Schulen zu geben, um beispielsweise den Nachilfhilfeunterricht zu organisieren, sind die bürokratischen Hürden extrem hoch."

Hinzu kommen offenbar große Anlaufschwierigkeiten bei den Kommunen. Der Sprecher des Deutschen Städtetages, Volker Bästlein, erinnerte gestern im Gespräch mit unserer Zeitung daran, dass die Zuständigkeit für das Bildungspaket erst im Zuge der am 21. Februar beendeten Verhandlungen im Vermittlungsausschuss von der Bundesagentur für Arbeit auf die Kommunen übergegangen sei. "Da braucht es natürlich noch seine Zeit, bis alles vor Ort läuft."

Dieser Meinung ist auch Ursula von der Leyen. Aufgeschreckt von der Kritik an ihrem Prestige-Projekt versucht sie jedoch Tatkraft zu demonstrieren: Bereits an diesem Donnerstag will sich die Ministerin mit Spitzenvertretern von Ländern und Kommunen am Runden Tisch treffen, um Probleme aus dem Weg zu räumen. vet

EXTRA SOZIALDIENST



CDU-Politiker lassen derzeit prüfen, ob Empfänger von Hartz-IV-Leistungen zum gemeinnützigen Dienst an Stelle der bisherigen Zivildienstleistenden herangezogen werden können. Die CDU-Bundestagsabgeordneten Carsten Linnemann und Peter Tauber haben den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages beauftragt, die rechtlichen Grundlagen für die ersatzweise Heranziehung von Hartz-IV-Beziehern zu prüfen. Linnemann: "Es darf keine Denkverbote geben. Hartz-IV-Beziehern sollte zugemutet werden können, auch in Alten-, Pflegeheimen und Krankenhäusern zu arbeiten, um mögliche personelle Engpässe zu überbrücken." Der Vorsitzende der Senioren-Union, Otto Wulff, begrüßte den Vorstoß. "Selbstverständlich muss Hartz-IV-Empfängern zugemutet werden können, auch im sozialen Bereich zu arbeiten - zumal dann, wenn sich Befürchtungen bestätigen sollten, dass es zum Sommer nicht genügend Bewerber für den neuen Bundesfreiwilligendienst gibt." Hintergrund ist, dass nach dem Aussetzen der Wehrpflicht von Juli an auch der Zivildienst wegfällt. Es würden mindestens 35 000 Helfer gebraucht - bisher soll es bundesweit aber erst wenige tausend Bewerber geben, hieß es. dpa

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