Kein Geld für Argumente

Berlin . Kaum wird eine Reform angekündigt, melden sich Interessengruppen und bauen ihre Drohpotenziale auf. Die wahren Lobbyisten agieren aber anders - sie verstehen es, bereits im Vorfeld wichtiger Entscheidungen auf geräuschlose Weise Macht auszuüben.

Lobbyisten sind die "fünfte Gewalt", wie die beiden Autoren und Politikwissenschaftler Thomas Leif und Rudolf Speth glauben. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) stellte gestern in Berlin das von ihnen herausgegebene Buch "Die stille Macht" vor - ein Hintergrund-Dossier, in dem die wichtigsten Akteure und ihre Techniken untersucht werden. Das Wechselspiel zwischen Politik und Lobbyismus birgt durchaus Risiken und Nebenwirkungen. Das zeigen die Ereignisse um den Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, dem kürzlich ein Millionenvertrag mit einer Beraterfirma auf die Füße gefallen ist. Oder aber der Ärger, den sich momentan Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) durch einen ähnlichen Sachverhalt einhandelt. Am deutlichsten, sagen die Herausgeber, werden die Gefahren aber wohl am Fall des ehemaligen Verteidigungsministers Rudolf Scharping (SPD) sichtbar. Wie andere Politiker auch pflegte er allzu enge Kontakte zu Moritz Hunzinger mit seinen Spezialbeziehungen zur Rüstungsindustrie. 2002 musste Scharping deshalb seinen Hut nehmen. Das Beispiel zeigt allerdings auch die Form eines neuen Lobbyismus - Hunzinger selbst bezeichnet sich ja als PR-Berater. Und gerade diese Branche bietet nunmehr ihr Wissen oder ihre Netzwerke an, um im Gegenzug frühzeitig mit Informationen versorgt zu werden. Ein Geben und Nehmen für viel Geld also. Seit Scharpings Absturz, haben Leif und Speth festgestellt, wird dieses Arbeit im Schatten der Öffentlichkeit jedoch kritisch diskutiert. Auch viele der neuen und alten Lobbyisten sähen so eine Vorgehensweise als gefährlich an - folge man ihrer Selbsteinschätzung, "dann ist Seriosität angesagt". Das sieht auch Bundestagspräsident Thierse so: Für Argumente dürfe "kein Geld fließen", forderte er gestern. Der Interessenvertreter alter Schule mit schwarzem Hut, schwarzem Anzug und dicker Zigarre hat jedenfalls ausgedient. PR- und Image-Berater heißen sie heute, hinzu kommen die altbekannten Vertreter von Verbänden und Wirtschaftsgruppen. Alle versuchen, politische Entscheidungen zu beeinflussen und sich in die Nähe der Macht zu tasten. Aber wie sollte man der "stillen Macht" begegnen, ohne die mitunter - wie das Beispiel Dosenpfand zeigt - nichts geht? Transparenz und Öffentlichkeit sei das richtige Mittel, um den "Wucherungen des Lobbyismus" zu begegnen, so Thierses Aufforderung. Thomas Leif, Rudolf Speth (Hrsg.): Die stille Macht. Lobbyismus in Deutschland. 385 Seiten, 32,90 Euro.

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