Kein Kirchturmdenken

Wieder einmal zeigt sich, wie unsinnig die Wahl zum Unwort des Jahres war: Humankapital an sich ist nichts schlechtes. Ohne lebenswerte Umgebung wird es auf Dauer nicht genügend Arbeitskräfte, sprich Humankapital, geben.

Familienpolitik als Standortvorteil. Was nützt das größte Gewerbegebiet, wenn es weit und breit keine bezahlbaren Wohnungen gibt, die Einbruchsquote hoch ist und Kinder nicht allein über die Straßen gehen können? Die Familien ziehen dorthin, wo sie sich wohl und sicher fühlen und nehmen dafür in Kauf, für Job oder Freizeit weiter zu fahren. Auf dem Land leben, in der Stadt arbeiten. Keine wirklich neue Erkenntnis, zumal nicht in unserer Region. Der Familienatlas widerspricht damit auch den Unkenrufen mancher Demografen, die Landflucht und Preisverfall der Immobilien in den Dörfern prophezeien. Sicherheit, Ruhe und ein lebenswertes Umfeld sind Familien offensichtlich wichtiger als gute Busanbindungen und ein ausgedehntes Kneipen-Angebot. Daher sollten die Ergebnisse nicht zum sonst typischen Kirchturmdenken führen. Nachkarten, warum ein Landkreis besser abschneidet als die anderen, bringt nichts. Die Region muss sich als Ganzes sehen. Wer in der Eifel sein Häuschen gebaut hat, wird nicht wegen einer besseren Kinderbetreuung nach Trier ziehen. Trotzdem muss vor Ort für familienfreundliches Klima gesorgt werden. Doch Familienpolitik muss auch den tatsächlichen Bedürfnissen entsprechen. Vielen Eltern ist eine flächendeckende Kinderbetreuung - entgegen der postulierten Familienpolitik der Bundesregierung - weniger wichtig, als dass ihre Kinder auf der Straße spielen können und sie ein sicheres Einkommen haben. b.wientjes@volksfreund.de

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