Kein Mann der leisen Töne

Barack Obama ist ein Präsident auf der Zielgeraden. Demnächst verschwindet er aus dem Fokus, bald dreht sich der Diskurs nur noch um die Frage, wer ihn im Oval Office beerbt.

In den letzten beiden Jahren seiner Amtszeit steht ihm ein Parlament gegenüber, das die Republikaner so klar beherrschen, wie eine Partei den Kongress schon lange nicht mehr im Griff hatte. Dies ist die Ausgangslage: Will Obama auf innenpolitischen Baustellen vorankommen, muss er auf seine Gegner zugehen.
Eigentlich müsste er leise Töne anschlagen, kleinste gemeinsame Nenner suchen. Der Barack Obama, der zum vorletzten Mal die Lage der Nation skizzierte, machte jedoch den Eindruck, als seien ihm die neuen Machtverhältnisse herzlich egal. Gute Wirtschaftsdaten stärken nicht nur den amerikanischen Nationalstolz, so dass mancher im transatlantischen Vergleich schon wieder das alte Lied von der kranken Dame Europa anstimmt, sie beflügeln auch den Präsidenten.
Aus dem Umfragetief hat er sich hochgerappelt, dem Schicksal seines Vorgängers George W. Bush, der zum Ende hin von Monat zu Monat unpopulärer wurde, dürfte er wohl entgehen. Allein das lässt ihn mit einer Selbstsicherheit auftrumpfen, als finde er großen Gefallen an der Vorstellung, dass sich die Republikaner an ihm die Zähne ausbeißen. Misst man es an der Zahl der Gesetze, führt ein solcher Ansatz zu nichts.
Doch anscheinend hat sich Obama abgefunden mit dem Gedanken, dass seiner Gesundheitsreform kein großer innenpolitischer Wurf mehr folgt. Der Rest ist Rhetorik mit Blick auf die Wahl 2016, gerichtet an die Mittelschichten, die zwar schöne Statistikkurven des Wirtschaftsaufschwungs sehen, aber im eigenen Portemonnaie vorläufig nichts davon spüren. In der Außenpolitik allerdings liegen die Dinge anders. Dort könnte Obama tatsächlich noch etwas bewegen, darauf dürfte er sich konzentrieren bei seinem Endspurt.
So überraschend er die Normalisierung mit Kuba verkündete, so konsequent lässt er den Worten jetzt Taten folgen, kleine Schritte, die in der Summe vielleicht das Eis brechen. Ob der Atomdialog mit dem Iran zum historischen Ausgleich führt, will er gründlich ausloten, ohne dass ihm konservative Hardliner einen Strich durch die Rechnung machen. Gelänge ihm das Kunststück, wäre es ein Erfolg für die Geschichtsbücher.
nachrichten.red@volksfreund.de

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