Kein Parkschein, kein Stau - Und für Fahrer jede Menge Privilegien

Berlin · Bei der Elektromobilität läuft es in Deutschland nicht rund. Zwar hat die überwiegende Mehrheit der Autofahrer die Anschaffung eines mit Strom fahrenden Fahrzeugs nicht bereut, wie unlängst eine Umfrage ergab. Aber die Tendenz der Zulassungszahlen zeigt nach unten.

Die Bundesregierung hat die Negativtendenz registriert und wird deshalb Mitte Juni in Berlin eine Nationale Konferenz für die Elektromobilität veranstalten, um ihrem Ziel, bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straßen zu bringen, doch noch näherzukommen. Schon jetzt steht fest, wie die Regierung die umwelt- und klimaschonenden Wagen ganz praktisch attraktiver machen will.Konkrete Regelung


Voraussichtlich nächste Woche wird das Bundeskabinett die "50. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften" auf den Weg bringen. Sie ist notwendig zur Umsetzung des Elektromobilitätsgesetzes, das Bundestag und Bundesrat Anfang des Jahres verabschiedet hatten.
In der Verordnung ist nun rechtlich konkret geregelt, inwieweit E-Autos privilegiert werden sollen gegenüber herkömmlichen Fahrzeugen. Zugleich wird die Kennzeichnung von Elektroautos festgelegt: Sie erhalten am Nummerschild zusätzlich ein E. Den Städten und Gemeinden wird damit eingeräumt, eine ganze Reihe von Vergünstigungen für Stromwagen im Straßenverkehr erlassen zu können, die den normalen Autofahrer vor Neid erblassen lassen dürften: So sollen E- und Hybridfahrzeuge Busspuren mitbenutzen dürfen, um staufreier vorwärtskommen zu können. Außerdem sollen sie bessere Parkmöglichkeiten erhalten und selbst auf Flächen stehen dürfen, die für andere Fahrzeuge verboten sind.
Mehr kostenlose Abstellplätze, so spekuliert die Regierung, macht die Nutzung von elektrisch betriebenen Verkehrsmitteln vor allem in den großen Städten attraktiver. Deswegen ist in der Verordnung auch die "Freistellungen von der Verpflichtung zum Parken mit Parkschein oder Parkscheibe" vorgesehen. Damit das alles für die Fahrer ersichtlich ist, wird ein neues Verkehrszeichen eingeführt: das klassische Auto verbunden mit einem Stecker. Inwieweit die Städte die Anschubhilfe für Elektroautos auch tatsächlich umsetzen, ist offen. Vor allem die Mitnutzung von Busspuren war unlängst vom Städtetag als ungeeignete Maßnahme abgelehnt worden.
Die Bundesregierung hofft freilich, mit den Vorgaben die Zahl der Neuzulassungen deutlich erhöhen zu können. Um die Marke von einer Million bis 2020 zu erreichen, müssten allerdings jedes Jahr 140 000 Elektroautos neu angemeldet werden. Denn bisher sind nur knapp 24 000 auf deutschen Straßen unterwegs. Experten gehen davon aus, dass das von der Kanzlerin ausgegebene Ziel daher deutlich verfehlt wird. Bleibt die Frage, ob die Regierung wenigstens mit gutem Beispiel vorangeht.Unterschiede bei Ministerien


Spitzenreiter bei den umweltschonenden Autos ist nach Informationen unserer Zeitung das Verkehrsministerium, das seinen Fuhrpark inzwischen zu 30 Prozent auf elektrische oder halbelektrische Fahrzeuge umgestellt hat. "Weitere Elektrofahrzeuge sind bestellt", so das Ministerium auf Nachfrage. Bis 2016 soll dann die Hälfte der 32 Wagen mit Strom fahren.
Andere Minister sind angeblich nicht so ambitioniert und haben deutlich weniger Elektroautos in ihrer Wagenflotte, das Bildungs- und das Justizministerium sollen sogar gar keins besitzen.Meinung

Das wird nichts bis 2020
Dass Elektroautos nach wie vor unattraktiv sind, hat vor allem etwas mit ihrer Reichweite zu tun. Wer aber einmal so ein Fahrzeug gefahren ist, der wird schnell merken, dass es ein anderes, ein angenehmeres Fahren sein kann. Die Charmeoffensive der Regierung mit besseren Parkmöglichkeiten und einem besseren Vorankommen in den Städten wird allerdings nicht helfen, den Absatz von E-Autos zu steigern. Da muss man dem auf Benziner und Diesel gepolten Fahrer in Deutschland schon mehr bieten - zum Beispiel eine Kaufprämie, wie es sie in vielen anderen Ländern gibt, in denen die Absatzzahlen deutlich höher sind. Außerdem sind die Vorgaben nicht bindend für die Kommunen. Die meisten Großstädte wollen sie gar nicht umsetzen. Aus gutem Grund: Weitere Fahrzeuge auf Busspuren würden den öffentlichen Nahverkehr noch mehr verlangsamen - und auf Parkgebühren will wohl keine Stadt verzichten. Ergo: eine Million E-Autos bis 2020 - das wird nichts. nachrichten.red@volksfreund.de

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