Keine Abweichungen

Joseph Kardinal Ratzinger hat in Trier einige intensive Eindrücke hinterlassen. Als Person, als Theologe und als mächtiger Mann im Vatikan, der, sehr, sehr dicht an der Seite des Papstes, mit die kirchenpolitischen Strippen zieht. Als Person hat er überrascht: Da will das, was man über den gern so gescholtenen "Hardliner" im Vatikan zu lesen und zu hören bekommt, nicht passen zu dem Auftreten eine Seelsorgers, der überzeugt ist und überzeugen will und mit weicher Sprache, Mimik und Gestik eindringlich immer wieder auf den Kern zu sprechen kommt: Es geht um Gott, und es geht um den Menschen. Und keineswegs um die Institution Kirche, die - das kritisiert er - vielfach als Apparat gesehen wird. Es ist nicht zu viel behauptet, dass Ratzinger mit seinem Abflug nach Rom eine Schar von Klerikern und Gläubigen zurückgelassen hat, die von seiner Person durchaus positiv vereinnahmt, ermutigt und gestärkt worden sind. Und wenn Stärke not tut in einer auseinander driftenden kirchlichen Herde, dann scheint er der richtige Mann zu sein. Der Theologe Ratzinger kann nur als glanzvoller Rhetoriker und nicht täuschbarer Kenner der Materie bezeichnet werden. Insofern könnten die deutschen Katholiken stolz darauf sein, dass ein Deutscher, vor vielen Jahren Erzbischof in München, in vorderster Reihe die Geschicke der Kirche mit lenkt. Wäre da nicht das sorgsam genährte Misstrauen, dass im Vatikan als überkommenem spätmittelalterlichem Bollwerk jeglicher Fortschritt abgeblockt würde. Aber was ist Fortschritt? An dem Punkt hat sich Ratzinger auch in Trier als jener Chef der Glaubenskongregation gezeigt, der - im Umgang freundlich - hart in der Sache bleibt. Was zunächst einmal nicht als etwas Negatives auszulegen ist. Denn eines hat in seinen Vorträgen in Trier und auch im Streitgespräch nachdenklich gemacht: Dem Mann geht es nicht um kirchliche PR-Aktionen, um Konkurrenz im "Schaugeschäft" und um Image. Sondern um die Sache, den Glauben und die Kirche, die nicht sich selbst darzustellen hat, sondern ihren Stifter. Den Weg dieser Kirche sieht Ratzinger in der vor 40 Jahren grundlegend reformierten Liturgie. Er wirbt eindringlich um einen festen, von Zuversicht geprägten Gang auf diesem Weg. Abweichungen gefällig? Nein. Das tut weh, hat aber etwas. Ratzingers Botschaft: Wir haben mit unserem Glauben das Größte überhaupt. Und eine gewachsene (und göttlich gefügte) Liturgie. "Wo sie gut gefeiert wird, da nimmt sie den Menschen mit". In Trier war das einen Moment lang zu spüren. m.pfeil@volksfreund.de

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