"Keine Angst, Frau Merkel"

BERLIN. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von CDU und CSU, Wolfgang Bosbach, will die Analyse des miserablen Wahlergebnisses für die Union direkt im Anschluss an die Koalitionsverhandlungen beginnen. Dabei dürfe es nicht um die Suche nach Sündenböcken gehen, so der Fraktionsvize.

Herr Bosbach, warum scheint Angela Merkel die Aufarbeitung ihres schlechten Wahlergebnisses zu scheuen wie der Teufel das Weihwasser? Bosbach: Alles zu seiner Zeit. Wir brauchen eine gründliche Analyse des Wahlausgangs, auch des Wahlkampfes. Aber nicht jetzt. Eine solche Analyse kann man nicht zwischen Tür und Angel machen, man darf sie aber auch nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag verschieben. Der letzte Tag der Koalitionsverhandlungen muss deshalb der erste Tag der Wahlanalyse sein. Es gibt aber viele in Ihrer Partei, die so lange nicht mehr warten wollen. Unterschätzt Frau Merkel den Druck? Bosbach: Das glaube ich nicht. Und ich glaube auch nicht, dass sie die Analyse auf die lange Bank schieben will. Es ist richtig, dass sich Frau Merkel zu 100 Prozent auf die Koalitionsgespräche konzentriert. Ich kenne doch die Sorge in meiner Partei: Jetzt ist es zu früh, und irgendwann heißt es, jetzt lohnt es sich nicht mehr. In diesem Fall wird es nicht so sein. Fürchtet Angela Merkel, dass ihre eigene Rolle im Wahlkampf womöglich zu kritisch hinterfragt wird? Bosbach: Frau Merkel muss vor der Analyse keine Angst haben. Wir haben das Wahlprogramm gemeinsam beschlossen, wir haben es gemeinsam im Wahlkampf vertreten und das Ergebnis damit gemeinsam zu verantworten. Heißt das, Sie wollen die Rolle der Spitzenkandidatin bei der Fehlersuche ausklammern? Bosbach: Nein, aber Wahlanalyse bedeutet für mich nicht die Suche nach Sündenböcken. Sondern es muss eine nach vorne gerichtete Debatte werden, damit wir in Zukunft erfolgreicher sind. Es ist allerdings schon merkwürdig, wenn diejenigen, die unser Programm im Wahlkampf mit vertreten haben, es jetzt lautstark kritisieren. Sie spielen auf Edmund Stoiber an, der mit der Fehleranalyse gegen den Willen Merkels voran geprescht ist?Bosbach: Nein, ich spiele auf jeden an, der dies tut. Ich hätte gerne eine präzise Antwort darauf, ob unser Programm sachlich richtig und notwendig gewesen ist und ob es unserer politischen Überzeugung entsprochen hat. Und mich interessiert, ob es geschickt war, unpopuläre Lösungen so offen anzusprechen. CSU-Chef Stoiber stellt sich aber mal wieder gegen Angela Merkel. Wie lange will sich die CDU solche Alleingänge noch gefallen lassen?Bosbach: Wir müssen mit diesem Hickhack schleunigst aufhören. Die Menschen dürfen nicht den Eindruck gewinnen, als würden nur noch Hahnenkämpfe ausgetragen, als ginge es nur um Ämter und Zuständigkeiten. g Die Fragen stellte Hagen Strauß.

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