Keine Entwarnung

BERLIN. Riad, Casablanca, Jakarta, Istanbul und Madrid, Städte, die für blutigen islamistischen Terror stehen. "Weiche Ziele” in Deutschland wie Bahnhöfe oder Züge, die kaum zu schützen sind, können nach Ansicht von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) ebenso "im Zielspektrum solcher Gruppierungen liegen”.

 Mögliches Terror-Ziel: US-Einrichtungen in Deutschland, wie hier die Air Base Spangdahlem, werden streng überwacht.Foto: Friedemann Vetter

Mögliches Terror-Ziel: US-Einrichtungen in Deutschland, wie hier die Air Base Spangdahlem, werden streng überwacht.Foto: Friedemann Vetter

Die potenzielle Gefahr bestehe vor allem deshalb, "weil wir in Afghanistan an vorderster Front engagiert sind”, warnte Schily gestern in Berlin bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2003. Trotz des Fahndungsdrucks und den Erfolgen der Sicherheitsbehörden könne für die Republik keine Entwarnung gegeben werden. Schily mahnte deshalb vor allem Verbesserungen bei der Zusammenarbeit der deutschen Behörden an - die Informationssammlung der Verfassungsschützer müsse auf Bundesebene in einer Datei zentralisiert werden. Laut Bericht ist die Zahl der organisierten Islamisten in Deutschland im vergangenen Jahr leicht gestiegen. Den 24 radikal-islamischen Organisationen gehörten 30 950 Personen an, 2002 waren es 30 600. Die Zahl der von Ausländern verübten Straftaten mit extremistischem Hintergrund hat sich jedoch von 573 auf 1473 fast verdreifacht. Darunter waren 88 Gewaltdelikte, 27 mehr als 2002. Der Anstieg geht aber in erster Linie auf Verstöße gegen das Vereinsrecht zurück, erläuterte Schily. Trotz des heftigen Widerstands in der Koalition hält er an seinem Vorschlag fest, gefährliche Ausländer notfalls in Sicherungshaft zu nehmen. "Ich meine, diese Frage gehört auf die Tagesordnung”, wiederholte der Minister gestern. Der "rote Sheriff” war mit dieser Idee bereits im April vorgeprescht und hatte sich dadurch Ärger mit dem grünen Koalitionspartner eingehandelt. Und als die Union die Sicherungshaft flugs zum Thema in den Zuwanderungsverhandlungen machte, scheiterten die Gespräche vor kurzem.Gewalt auch von Links und Rechts

Deutschland wird aber nicht nur vom islamistischen Terror bedroht. Auch wenn der Verfassungsschutz bei rechtsextremistischen Organisationen im vergangenen Jahr einen deutlichen Mitgliederrückgang von acht Prozent auf 41 500 feststellte, "der Fall der 2003 zerschlagenen Gruppe um Martin Wiese hat gezeigt, welche Gefährdung sich aus Bestrebungen einiger entschlossener Aktivisten entwickeln kann”, so Schily. Die Gruppe soll im letzten Jahr einen Anschlag während der Grundsteinlegung für die jüdische Synagoge in München geplant haben. Erstmals seit neun Jahren ging die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten aber zurück, von 10 700 auf 10 000. Bei der NPD verzeichneten die Verfassungsschützer ebenso einen deutlichen Mitgliederrückgang von 6100 auf 5000. Besonders besorgniserregend ist hingegen, dass die Zahl der Neonazis laut Schily von 2600 auf 3000 anwuchs. Skinhead-Musik sei dabei weiterhin die "Einstiegsdroge Nummer Eins ins gewaltbereite Milieu”. Als organisierte Linksextremisten galten 2003 31 300 Personen. Dazu zählte der Verfassungsschutz auch die 1.500 Anhänger der "Kommunistischen Plattform” der PDS, sowie gewaltbereite Autonome, deren Zahl jedoch von 5500 auf 5400 sank. 483 Gewalttaten wurden von der linken Szene verübt (2002: 385), 226 davon fallen unter die Rubrik "Links gegen Rechts”.

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