Keine Lösung des Problems

Zugegeben, die NPD-Auftritte im sächsischen Landtag waren schwer erträglich, eine Demon-stration von Neonazis am Holocaust-Mahnmal in Berlin zum 60. Jahrestag der Befreiung von der Nazibarbarei ist eine fürchterliche Vorstellung.

Dennoch ist bei der vorgesehenen Einschränkung des Demon-strations- und Versammlungsrechts kritisches Nachdenken eher gefragt, als bedenkenlose Zustimmung. Es geht letztlich nämlich nicht darum, eine bestimmte Demonstration an einem ganz besonders sensiblen Ort, wie das Holocaustmahnmal in Berlin zweifellos einer ist, zu verhindern, es geht um weit mehr. Die Länder sollen ihrerseits sensible Orte benennen, an denen dann Demonstrationen verboten werden können. Was aber ist ein sensibler Ort? Das KZ Hinzert, die jüdische Synagoge in Trier, generell Orte, an denen einmal jüdische Gotteshäuser standen oder Deutsche jüdischen Glaubens gelebt haben, das Westwall-Museum in Irrel oder das Forum Daun, wenn dort eine entsprechende Ausstellung gezeigt wird? Wo fängt die Sensibilität an, die ein Verbot rechtfertigt, und wo muss sie enden? Entscheiden werden das ohnehin wieder die Gerichte. Das Versammlungs- und Demonstrationsrecht ist aus gutem Grund ein zentraler Bestandteil unserer Werteordnung. Wer daran dreht, muss sich kritische Fragen gefallen lassen. Etwa die, warum die demokratischen Parteien dieses Landes mit dem Gesetzbuch in der Hand Probleme zu lösen versuchen, die sie alle gemeinsam nur politisch angehen können. Die Braunen in Landtagsdebatten stellen, statt den Saal zu verlassen, wenn sie ihren Unsinn von Vorgestern zum Besten geben. Mit überzeugenden Argumenten punkten, Perspektiven bieten, notwendige Zukunftsentwicklungen handwerklich sauber vorantreiben, statt mit permanentem, jämmerlichem Dauerstreit politisches Theater zu spielen, das viele nur noch anekelt. Demokratie und die Grundwerte dieses Landes überzeugend nach außen vertreten, statt das Gefühl zu vermitteln, hilflos zu sein. Den Holocaust zum zentralen Thema des Geschichtsunterrichts in allen Schultypen machen, statt ihn vielfach nur am Rande zu behandeln. Wer um die Barbarei weiß, ist weit weniger anfällig für dümmliche braune Hetztiraden. Gesinnung lässt sich nicht mit Einschränkungen von Grundrechten ändern, sondern durch Wissen und Überzeugungsarbeit. Mit der geplanten Hau-Ruck-Aktion ersparen wir uns vielleicht peinliche Fernsehbilder, die aus Berlin in alle Welt gehen würden. Der Lösung des Problems, dass immer mehr junge Leute diesen Rattenfängern hinterher laufen, kommen wir damit keinen Schritt näher. Da sind wir alle gefordert, am wenigsten aber das Strafgesetzbuch. d.schwickerath@volksfreund.de

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