Keine Spur von Pater Paolo Dall'Oglio

Damaskus · Er wollte den Bürgerkrieg in Syrien stoppen und geriet dabei zwischen die Fronten rivalisierender Oppositioneller: der seit Ende Juli verschwundene Jesuitenpater Paolo Dall\'Oglio. Auch dem syrischen Regime kam er in die Quere.

 Von Pater Paolo Dall'Oglio gibt es seit Monaten kein Lebenszeichen. Foto: Privat

Von Pater Paolo Dall'Oglio gibt es seit Monaten kein Lebenszeichen. Foto: Privat

Damaskus. "Die Revolution für Demokratie wurde in den Dreck eines Bürgerkrieges zwischen islamischen Sunniten und schiitischen Alawiten gezogen. Dieser Bürgerkrieg ist mir unerträglich. Ich muss was tun, um ihn zu stoppen." So schrieb der jesuitische Priester Paolo Dall'Oglio in seinem Buch: "Die Wut und das Licht: Ein Priester in der syrischen Revolution".
Und den Worten folgten die Taten. Der Mann, der der Sache des Dialoges zwischen Christen und Muslimen in Syrien drei Jahrzehnte diente, ist am 29. Juli 2013 in der syrischen Stadt Rakka verschwunden. Er wollte zwischen den sich bekämpfenden syrischen oppositionellen Gruppierungen vermitteln. Alles deutet darauf hin, dass der aus Italien stammende Pater von der islamischen radikalen Gruppe "Islamischer Staat im Irak und in der Levante" gekidnappt wurde. Seitdem gibt es kein einziges Lebenszeichen von ihm.
Es wird befürchtet, dass er entweder von seinen Entführern oder von kriminellen Anhängern des syrischen Regimes ermordet wurde. Beiden sich bekriegenden Lagern war der Jesuit ein Dorn im Auge. Das syrische Regime duldete die Aktivitäten von Paolo Dall'Oglio, der 1982 das syrisch-katholische Kloster Mar Musa Al Habaschi neu gegründet hat, bis zum Ausbruch des syrischen Aufstandes gegen die Assad-Diktatur am 15. März 2011. Die Parteinahme des jesuitischen Priesters für den friedlichen Kampf der Syrer für Demokratie und Menschenwürde brachte ihm den Zorn des syrischen Regimes ein, das ihn am 12. Juli aus Syrien ausgewiesen hat.
Dall'Oglio entlarvte die Behauptungen des syrischen Regimes, dass es sich bei der Opposition vom vorn herein um islamistische Terroristen handele und dass der syrische Diktator die Minoritäten und vor allem die Christen schütze. Die Haltung des Jesuitenpaters passte auch der syrischen kirchlichen Obrigkeit nicht, die sich von dem Regime einschüchtern ließ und gegen die Beteiligung ihrer Mitglieder an der Seite der Opposition auftrat. Seine Forderung nach westlicher Solidarität und politischer Unterstützung der syrischen Opposition machte ihn zum Feind des syrischen Regimes und seiner Helfer. Paolo Dall'Oglio, der die Militarisierung des syrischen Aufstandes und die Konfessionalisierung der syrischen Krise ablehnte, ließ sich von dem zunehmenden Einfluss der Dschihadisten in Syrien nicht entmutigen. Er blieb trotz der Exzesse des Bürgerkrieges und der Übergriffe gegen die Christen seinem Kurs für einen Dialog treu. Dieses Engagement machte ihn zur Zielscheibe der radikalen Islamisten, die die Christen und die Andersdenkenden im Land terrorisieren.Nicht die erste Verschleppung


In Syriens Bürgerkrieg sind wiederholt Geistliche verschleppt und getötet worden; im April dieses Jahres wurden beispielsweise der syrisch-orthodoxe Bischof Johanna Ibrahim und der griechisch-orthodoxe Bischof Paul Jazidji für mehrere Tage entführt, ein Diakon wurde bei der Aktion ermordet - in jener Region, in der auch Pater Dall'Oglio verschwunden ist. Außer den Kirchenleuten haben syrische Gruppierungen mehrfach auch Helfer internationaler Organisationen und Journalisten in ihre Gewalt gebracht.

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